Jonathan Meese über Mamas Befehle

In der Galerie Sies + Höke bekommt der streitbare Künstler mit dem Hitler-Gruß eine Schau auf drei Etagen. Wir sprachen mit ihm und mit seiner Mutter Brigitte Meese.

Jonathan Meese über Mamas Befehle
Foto: Helga Meister

Düsseldorf. „Die nackteste Freiheit der Kunst“ nennt Jonathan Meese (50) seine Schau in drei Etagen der Galerie Sies + Höhe an der Poststraße. Zwischen Pin-up-Collagen lässt er sich fotografieren, dieser Schalk mit schulterlangem Haar und freundlichen Augen. Schnell macht er noch den Hitler-Gruß, diesen typischen Meese-Gruß, der ihn 2013 vors Gericht brachte. Dann reißt er seine Mama an sich. Ein Gespräch mit ihm und zeitweise mit Brigitte Meese (88), die zum Kunstwerk Meese dazugehört.

Ihr Sohn wird als Krawallbruder gescholten, aber ist er nicht ein freundlicher Typ?

Mama Meese: Außer, wenn er mit mir zusammen ist. Ich bin der einzige Mensch, mit dem er sich streiten darf. Wir streiten uns manchmal bis aufs Blut. Er muss Dampf ablassen. Er lässt ihn nur gegen mich ab.

Jonathan Meese: Mama ist die Prellwand. Bei meiner Freundin kann ich nicht so heftig vorgehen wie bei ihr.

Mama Meese: Ich kann es besser abfangen. Aber es ist schon etwas verletzend.

Jonathan M: Man muss auch ein bisschen ärgern. Kunst ist immer ein Ärgernis.

Wussten das die Chefinnen in Bayreuth nicht, die Sie verpflichteten und absetzten?

Jonathan M: Die bekamen plötzlich Angst vor ihrer eigenen Courage. Den ‘Mondparzival’ machte ich dann in Wien und Berlin.

Warum Mondparzival?

Jonathan M.: Ich wollte den Parzival erst einmal auf den Mond schießen, damit er anders zurückkommt. Denn ich war sehr genervt von dem Bayreuth-Erlebnis.

Warum kündigten Sie 2014 der Berliner Stammgalerie?

Jonathan M.: Wir haben uns auseinandergelebt. Bruno Brunnet und Nicole Hackert haben meiner Kunst nicht mehr vertraut.

Mama Meese: Sie haben ihn nicht mehr machen lassen, sondern wollten ihm befehlen, was er machen darf.

Bei Sies und Höke dürfen Sie machen, was Sie wollen?

Jonathan M.: Hier darf ich alles machen. Deshalb heißt diese Ausstellung auch „Die nackteste Freiheit der Kunst“.

Mit langem Haar sind Sie der Typ Künstler oder Waldschratt?

Jonathan M.: Man muss sich selbst durch den Kakao ziehen. Man muss alles mit einem Augenzwinkern machen.

Mama Meese: Er kann es eben, weil sein Vater Engländer war und den englischen Humor hatte. Den er auch hat. Der englische Humor ist etwas Spezielles, weil er sich selbst auf die Schippe nimmt.

Ihr Sohn kombiniert den Humor mit deutschen Tabus. Warum glaubt man hier, gewisse Dinge dürfen nicht Kunst sein?

Jonathan M.: Das ist eben falsch. Damit belässt man die Dinge in der Realität und in der Rolle dessen, der zu viel Macht hat. In der Kunst entkontaminiert man die Dinge und gibt ihnen eine neue Füllung. Die Bewegung muss nach vorn sein, man darf nicht zu sehr zurückblicken.

Sie machen neuerdings neben Bildern, Zeichnungen, Performances, Skulpturen und Texten gar eine VR-Filmproduktion?

Mama Meese: Es ist nur ein 8-Minuten-Film. Sehr aufwendig. Auftraggeber sind die Berliner Festspiele und Arte.

Jonathan M.: Das ist ein Virtual-Reality-Film, wo meine Mutter sechs Mal in einem weißen Raum auftaucht und mir Befehle erteilt. Überall sieht man Mutter.

Und Sie stehen in der Ecke?

Jonathan M.: Ich male den Raum aus, aber ich bin nur einmal. Mit der VR-Brille sieht der Besucher, wie Kunst wird.

Sie zeigen Busenschöne, Ladys wie Claudia Schiffer. Und daneben das Riesengemälde mit Rotkäppchen, Wolf und Großmutter? Sieht aus wie Creme-Torte? Was soll das?

Jonathan M.: Man muss Kunst ausrichten und anrichten. Man muss in der Welt etwas anrichten und schön rumstänkern.

Auf Ihrem Bild steht „kunstverrückt“. Und die Kreuze wirken, als wollten Sie Schiffe versenken?

Jonathan M.: Genau das. Mit einem Kreuz hakt man etwas ab oder versenkt Schiffe. Ich zeige aber auch die Weltformel aus Quadrat, Kreis, Dreieck und liegender Acht für die Unendlichkeit.

Die Geometrie ist doch nicht Ihre Welt. Lieben Sie nicht eher Rapunzel? Und tönen vom Leben als Sex?

Jonathan M.: Da sind auch Musik- und Filmbezüge.

Wo liegen Ihre Ursprünge?

Jonathan M.: An der Kunsthochschule in Hamburg bei Franz Ehrhard Walter. Er war so offen. Wir haben immer nur gelacht und über Essen, Trinken und Wein gesprochen. Aber er war auch streng und wusste so viel Bescheid. Ich war aber auch bei Werner Büttner, wo ich meine Freundin kennengelernt habe, bei Blume, bei Stanley Brown, bei Bremer. Ich habe eine Superausbildung.

In einem Ihrer Bilder steht „Evolutionsbefehl“. Wie befielt denn Ihre Mutter?

Jonathan M.: Machen, machen, machen. Meine Mutter gönnt mir meine Ruhepause, aber dann muss ich wieder loslegen.

Was sagt denn Ihre Freundin, wenn die Mutter immer dabei ist?

Jonathan M.: Das muss sie hinnehmen. (Lacht.)

Letzte Frage: Warum nennen Sie sich neuerdings nicht nur Meese, sondern auch Meesi?

Jonathan M.: Das ist meine Verniedlichungsform. Ich muss mich immer mehr durch den Kakao ziehen.

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