Die Krisen der Welt spiegeln sich im Körper wider

Im Buch „Bodies of Evidence“ schreiben Künstler über Flucht, Ausgrenzung, Kriege. Tanzhaus-Intendantin Bettina Masuch präsentiert es heute zusammen mit Mitherausgeberin Sandra Noeth im Heine Haus.

Die Krisen der Welt spiegeln sich im Körper wider
Foto: Katja Illner

Das Tanzhaus NRW stellt ein neues Buch vor: „Bodies of Evidence. Ethics, Aesthetics and Politics of Movement“. Das Buch nimmt Bezug auf Flüchtlinge und Migration, Ausgrenzung aufgrund von Anders-sein, Fingerabdrücken im Pass und Identität. Ein Interview mit Asli Erdogan, eine Diskussion über menschliche Schutzschilde in Kriegen, erlebten Rassismus und ein Gedicht finden sich in der Sammlung.

In der englischsprachigen Publikation wird der Körper als Zeuge in den Blick genommen, es geht um Bewegungen zwischen Grenzen, um Nationalstaatlichkeit, Normalität. Intendantin Bettina Masuch gab den Auftrag mit Sandra Noeth und Gurur Ertem als Herausgeber. Im Heine Haus spricht Masuch heute um 17 Uhr mit Noeth über das Buch. Wir haben sie vorab zu den Hintergründen befragt.

Was ist mit dem Titel „Bodies of Evidence“ gemeint?

Masuch: Der Titel spielt darauf an, dass sich die Krisen dieser Welt auch, und vor allem in den Körpern abzeichnen. Sie also Zeuge der gesellschaftlichen Ereignisse sind. Sie legen — fast im kriminologischen Sinne — Zeugnis ab.

Tanz ist seit Jahrzehnten international. Dass Ensembles aus aller Welt in großen Häusern zu Gast sind, ist Alltag - zumindest in Deutschland. Viele Grenzen wurden und werden in der Kunst überschritten. Warum braucht es heute so ein Buch?

Masuch: Wir leben in einer Zeit großer gesellschaftlicher Umbrüche. Die Krisen der Welt landen vor unserer Haustür. Geflüchtete, in Teilen traumatisierte Menschen, stellen uns vor neue Herausforderungen. Das grenzenlose „barrierefreie“ Reisen in Europa wird eingeschränkt. Haben wir wirklich die Welt zu Gast, wenn die Hälfte der Künstler gar keine Einreisevisa mehr für einen Auftritt bekommt? Ist nicht auch der Blick des Zuschauers geprägt von den Krisen und ha er, was Herkunft, Hautfarbe, sexuelle Orientierung der Darsteller anbelangt, seine Unschuld verloren?

Welche Rolle spielt das Tanzhaus dabei?

Masuch: Tänzer und Choreografen sind Körper-Experten. Mehr und mehr Künstler beziehen mit ihrer Arbeit Stellung zu aktuellen Krisen. Der Körper ist kein „unbeschriebenes Blatt“, sondern gezeichnet von seiner Herkunft und seinen Erfahrungen. Genauso wenig wie viele Künstler von den Krisen dieser Welt absehen können, können wir das als Institution. Auch in unser Haus kommen Menschen mit Fluchterfahrung.

Was erwartet den Besucher?

Masuch: Sandra Noeth und ich berichten über die Entstehungsgeschichte und gehen auf die Autoren ein. Im Mittelpunkt steht die Frage: Brauchen wir heute eine Ethik des Tanzes?

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