Interview Wie der große Auftritt nicht zur Katastrophe wird

Düsseldorf · Interview Mike Gromberg ist das, was man unter Künstlern eine Rampensau nennt. Mehr als 2000 Auftritte hat der Musiker, Buchautor und Kabarettist in den vergangenen 30 Jahren schon absolviert. Nun hat er einen Ratgeber herausgebracht: „Das kleine Buch vom großen Auftritt“.

 Mike Gromberg weiß nach 2000 Auftritten, wie es geht. Er verrät es in seinem kleinen Buch vom großen Auftritt.

Mike Gromberg weiß nach 2000 Auftritten, wie es geht. Er verrät es in seinem kleinen Buch vom großen Auftritt.

Foto: Dieter Sieckmeyer

Herr Gromberg, wie ist die Idee zu dem Buch entstanden?

Mike Gromberg: Ich habe vor zehn Jahren das Literatur- und Musik-Café wiedergegründet. Die Idee war, dass Amateure und Semi-Profis gemeinsam auf der Bühne stehen. Bei den Veranstaltungen habe ich alle Fehler gesehen, die man als Künstler so machen kann. Es waren durchaus echte Talente dabei, die sich selbst im Weg stehen. So entstand die Idee, einen Ratgeber zu schreiben, wie man manches Malheur vermeiden kann. ‚Das kleine Buch vom großen Auftritt’ richtet sich übrigens nicht nur an Musiker oder Kabarettisten. Auch die Schulpflegschaftsvorsitzende oder der  Vereinsvorsitzende kann daraus etwas lernen.

Was kann man denn so richtig falsch auf der Bühne machen?

Gromberg: Ich kann mich an eine Lesung erinnern, da hat der Künstler erstmal beim Soundcheck auf das Mikrofon geklopft. Das ist fürchterlich laut und erschreckt die Leute. Aber dann hat er angefangen und das Mikrofon befand sich in Stirnhöhe. Als das Publikum nichts hörte, hat der Mann einmal gefragt: ‚Ist es jetzt laut genug?’, um den Kopf dann wieder zu senken und sich auf das Buch zu konzentrieren. Das war einfach eine absolut misslungene Präsentation, die man mit etwas besserer Organisation hätte verbessern können.

Bessere Organisation? Wie macht man das?

Gromberg: Ich mache auch Tour-Management und war auch oft mit amerikanischen Bands unterwegs. Die sind in der Regel deutlich professioneller als viele deutsche Musiker. Da wird auf der Bühne nicht mal eben das Plektron rübergereicht, weil der Gitarrist seines gerade vergessen hat. In amerikanischen Bands sind die Kollegen dann auch oft sauer, wenn sich jemand unprofessionell verhält. Das Schlimmste, was man als Musiker machen kann, ist übrigens, sich auf der Bühne zu streiten, wenn mal etwas schief läuft. Das ist ein absoluter Stimmungstöter.

Was ist die bessere Lösung, wenn mal etwas daneben geht?

Gromberg: Flexibilität. Jeder Auftritt ist anders und es gibt immer wieder mal größere oder kleinere Probleme. Es ist jedesmal eine völlig neue Situation, denn jede Location ist anders. Mal ist viel Publikum da, mal wenig. Damit muss der Künstler umgehen können. Am besten mit Humor. Das kann man lernen. Wichtig ist  – wie schon gesagt – eine gute Organisation. Dass alle Kabel da sind, alle Instrumente und dass alle gut vorbereitet sind. Sonst entsteht eine Unruhe, in der dann auch leicht Fehler passieren. Gute Vorbereitung  ist außerdem das beste Mittel gegen Lampenfieber.

Aber das hilft nicht allein gegen Lampenfieber?

Gromberg: Nein. Da muss jeder seinen Weg finden, um damit klar zu kommen. Es gibt Künstler, die ziehen sich absolut zurück und wollen ihre Ruhe haben. Wenn man dann aus der Totenstille in einen Saal kommt, der laut und hell ist, kann das sehr irritieren. Das ist schlagartig eine ganz andere Situation. Es gibt auch den komplett anderen Weg. Ich habe Hugo Egon Balder im Theater an der Kö gesehen, der kurz vor dem Auftritt  noch mal an die Bar geht. Sich unter das Publikum zu mischen, halte ich für den bessern Weg. Das kann einen wesentlich lockerer machen. Es gibt auch Lampenfieber, gegen das gar nichts hilft. Auch mein Buch nicht. Dann muss ein Psychologe ran. Lampenfieber kann einem auch die Lust am Auftritt nehmen.

In dem Buch geht es aber auch um unangenehme  Wahrheiten...

Gromberg: Ja, Teile des Buches sind geeignet, Idealismus zu zerstören. Wer zum Beispiel in eine TV-Show eingeladen wird und dann feststellt, dass da alles vorgeschrieben wird, vom Applaudieren bis zum Aufstehen, der bekommt ein anderes Bild vom Mediengeschäft. Ein weiteres Problem ist die zunehmende  Drittklassigkeit...

Drittklassigkeit. Warum?

Gromberg: Das sieht man am deutlichsten an der Literatur. Der Zahl der Autoren, die ihre Werke im Eigenverlag veröffentlichen, hat sich in den vergangenen Jahren verfünffacht.  Der Umsatz ist aber gleich geblieben. Das sagt etwas über die Qualität aus. Rund 80 Prozent der Leute, die heute bei Lesungen auftreten, gehören da nicht hin. Das ist ein Debakel. Daran sind schon ganze Lesekreise kaputt gegangen. Durch die neuen Medien haben praktisch alle die Möglichkeit, Flyer, Plakate und andere Werbematerialien herzustellen, die professionell aussehen. Die Wahrheit ist dann auf der Bühne. Ich sage immer: Kunst ist ein Handwerk. Der Trend zur Drittklassigkeit nimmt übrigens auch den Profis die Arbeit weg.

Das heißt, mancher, der das Buch gelesen hat, sollte danach lieber nicht mehr auf die Bühne gehen?

Gromberg: Ja.

„Das kleine Buch vom großen Auftritt“ von Mike Gromberg und Roland Güthoff ist im Edition Paashaas Verlag erschienen. Es kostet 8,95 Euro und ist in allen Buchhandlungen zu haben.

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