Ein ganz normales Wunderkind

Leander Winkels ist erst 13 Jahre alt und hat ein gruseliges Buch geschrieben. Jetzt ist er auf dem Weg zum Literaturstar.

Düsseldorf. Leander Winkels scheint ein ganz normaler Junge zu sein. Er trägt weite Jeans und einen Kapuzenpulli, spielt in der C-Jugend von Mörsenbroich Verteidiger, obwohl er lieber im Mittelfeld wäre, und steht auf Monster und Godzillas. Doch seit kurzem gilt der Junge aus Grafenberg als eine Art Wunderkind.

Denn er ist mit 13 Jahren plötzlich zum Schriftsteller geworden. "Die Blume des Bösen" heißt sein Buch, die Geschichte war eigentlich als Geburtstagsgeschenk für seinen Vater gedacht. Und plötzlich war Leander damit der jüngste Autor auf der Frankfurter Buchmesse. Seitdem waren Fernsehteams bei ihm zu Hause, er soll in ein paar Wochen in der ZDF-Sendung "Menschen 2009" auftreten. Wie geht ein 13-Jähriger damit um, wenn sich plötzlich die halbe Welt um ihn zu drehen scheint?

Leander scheint das mit dem Buch gar nicht so ungewöhnlich zu finden: "Ich habe mir schon immer Geschichten ausgedacht, wenn mir langweilig ist", erzählt er. Er selber spielt in diesen Tagträumen auch mal die Hauptrolle. Was da genau passiert, will er aber nicht sagen. Ein vernuscheltes "Weiß der Geier" ist zu hören, das scheint ihm unangenehm zu sein.

In "Blume des Bösen" taucht Leander selber aber nicht auf, die Hauptrolle spielt ein anderer: "Kurz vor dem Ende der Vorstellung schlich sich ein Mann in den Zirkus, den aber keiner wahrnahm ... Jane starrte ihn entgeistert an und fing an zu schreien, denn er trug einen schwarzen Umhang und hielt in seiner knochigen Hand eine Sense.

Unter der großen Kapuze war aber kein Gesicht zu erkennen, Jane sah in ein dunkles Nichts." Der Sensenmann verbreitet in Leanders Geschichte Schrecken und Tod. Doch nur fünf Menschen durchschauen die Gefahr und versuchen ihr zu begegnen. Kinder unter zehn Jahren sollten das Werk besser noch nicht lesen.

Auf einer Kreuzfahrt im Mittelmeer hat sich Leander die düstere Geschichte ausgedacht. Er war mit seinem Vater unterwegs, es waren praktisch keine Kinder an Bord: "Da war kaum jemand, mit dem ich was anfangen konnte, außer mir selber." Also saß er viel in der Kabine und schrieb.

Als die Geschichte fertig war, zeigte Leander sie seiner älteren Schwester. Die zückte das Manuskript kurz darauf, um ihre Mutter zu besänftigen. Gerade war ein Brief von der Klassenlehrerin gekommen, Leander hatte wieder mal im Unterricht gestört.

Durch einen Zufall stieß Leanders Mutter einige Wochen später auf einen Verlag, der das Buch einer 14-Jährigen veröffentlicht hatte, und bot den Text dort an. Am Tag, an dem sie das Manuskript erhielt, meldete sich die Chefin Nicole Küppers und sagte, sie macht das Buch.

Inzwischen hat sich Leander den Titel "Die Blume des Bösen" ausgedacht. Liest man darin, wird klar, dass er schon viel gelesen hat und seine Mitmenschen genau beobachtet. Auch die weiblichen Figuren sind überzeugend dargestellt, Leander sagt, das wisse er über seine Schwester.

Den Herrn der Ringe hat Leander gelesen, 20.000 Meilen unter dem Meer. Harry Potter auch, aber das hat ihm nicht so gut gefallen: "Kein Junge würde sich so verhalten wie Harry Potter." Beim Lesen hat er mitbekommen, wie Grusel funktioniert: Ein Monster dürfe keinen Charakter haben, sonst gehe das Mysteriöse und damit Bedrohliche verloren, erläutert er: "Das ist immer so bei den Bösen, wenn er im Sonnenschein auftaucht, lachen alle über ihn."

Leander hat auch die Zeichnungen selber gemacht, die in dem Buch zu sehen sind. In der ersten Klasse hat einmal eine Lehrerin seine Mutter angesprochen, was ihr Sohn denn für grausige Dinge male. Mit zehn gewann Leander einen Geschichtenwettbewerb im Zakk, und vor kurzem einen Redewettbewerb des japanischen Generalkonsulats.

Thema waren internationale Beziehungen, Leander erzählte da von seiner Freundschaft zu einem 80-jährigen Japaner, bei dem seine Mutter vor vielen Jahren in einer Gastfamilie untergebracht war. Was Leander und den alten Mann verbindet: Sie sind beide große Godzilla-Fans.

Erste Preise, ein Buch, die Messe in Frankfurt, bald der Auftritt im ZDF - fühlt er sich eigentlich erfolgreich? Leander schaut etwas hilflos, zuckt mit den Schultern, dann sagt er: "Nein, gar nicht." Mit den letzten Fernsehaufnahmen war er nicht zufrieden, erzählt seine Mutter. Und wieso nicht? "Ich habe voll komisch geredet."

Mitten im Gespräch fällt Leander ein, dass er gerade an der Fortsetzung seines Buchs schreibt. Schon nach wenigen Worten stockt er aber plötzlich erschrocken und grinst dann: "Das verrate ich jetzt aber lieber noch nicht."

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