Düsseldorfer Satiriker wagt Witze über Corona "Auch einen Wagen zum Thema Corona wird es geben"

Düsseldorf · Der Wagenbauer ist glücklich über die Rettung seines Teams, wagt Witze über Corona und blickt auf Länder ohne „Gratis“-Züge.

 Jacques Tilly in seinem Element: Beim Wagenbau für den Rosenmontagszug

Jacques Tilly in seinem Element: Beim Wagenbau für den Rosenmontagszug

Foto: Bretz, Andreas (abr)

. (Red) Jacques Tilly (57) ist ein wandelndes Alleinstellungsmerkmal für die Stadt. Nirgends sonst fahren so viele scharfzüngige Mottowagen im Rosenmontagszug wie hier – dank ihm und seinem Team. Dass es in der Corona-Krise nun Alternativen zum klassischen Karneval geben soll, macht den Satiriker auch ein ganz klein wenig stolz.

„Et hätt noch immer jot jejange“ könnte es nun doch für die Karnevalisten heißen. Das Comitee Düsseldorf Carneval (CC) plant Alternativen für den Karneval. Es soll auch einen Rosenmontagszug in der Arena geben. Glücklich?

Jacques Tilly: Ich finde es super. Ich bin stolz auf die Jecken, sie versuchen das Beste aus der Situation zu machen.

Es sind auch zwölf Mottowagen von Ihnen geplant. Wann legen Sie los?

Tilly: Recht kurzfristig, mancher Wagen wird erst kurz vor Rosenmontag fertig. Die politische Großwetterlage kann sich bis zum 15. Februar 2021 naturgemäß noch zigmal ändern. Wir versuchen immer, so aktuell wie möglich zu sein und natürlich, so gepfeffert wie möglich das Weltgeschehen einzufangen.

Anfang 2020 fuhr ein Wagen mit, auf dem ein Narr dem Coronavirus eine lange Nase macht. Lassen Sie diesen Wagen wieder mitfahren? Und macht das Virus dem Narren nun eine lange Nase? Wäre das denkbar, oder ist das pietätlos?

Tilly: Prinzipiell ist im Zoch alles möglich. Ich rede ja auch gerne Tacheles. Natürlich müssen wir diese Krankheit ernst nehmen, das heißt aber nicht, dass wir nicht Witze machen können über den Umgang der Gesellschaft damit. Irgendwas werde ich mit dem Wagen sicher machen, ich denke darüber nach.

Es sollen zwar bis zu 17 000 Menschen in der Arena dabei sein dürfen, aber damit auch viel weniger als sonst beim Rosenmontagszug mit fast einer Million Zuschauern. Ist das für Sie ein Problem?

Tilly: Nein! Hauptsache, dä Zoch kütt. In anderen Ländern ist das Feiern in Arenen beziehungsweise abgesperrten Bereichen auch die Normalversion. Der „Gratis“-Zoch auf den Straßen des Rheinlands ist international gesehen eher die Ausnahme. In Rio feiern die Karnevalisten im Sambadrom – einer Arena – und vor ausgewähltem Publikum. Die größten und tollsten Wagen Italiens fahren in Viareggio, die Züge dort habe ich oft besucht, die Wagenbauer auch. Da fährt man an fünf Wochenenden in einem abgesperrten Bereich an der Promenade mehrfach im Kreis, und man muss um die 15 Euro Eintritt zahlen, wenn man die Wagen sehen will. Im berühmten Karneval von Nizza wird es genauso gehandhabt, da gibt es auch einen abgesperrten Bereich für die Umzüge und Eintritt wird verlangt. Insofern kehrt Düsseldorf mit dieser Aktion zu den Gepflogenheiten des organisierten Karnevals zurück.

Sie plädieren für die berühmte rheinische Gelassenheit?

Tilly: Klar. Die vom CC angestrebte Ausgestaltung des Zochs ist weltweit üblich und funktioniert woanders schon wunderbar, und zwar seit Jahrzehnten. Die Leute, die das eher kritisch sehen, weil es mit den hiesigen Traditionen bricht, sollten nicht so stur an Althergebrachtem festhalten, sondern ruhig mal den Blick auf das weltweite Umzugsgeschehen richten.

Was hören Sie so aus Köln?

Tilly: Nichts bis jetzt. Da haben wohl momentan die Düsseldorfer – ganz im Sinne des alten Rivalitätsdenkens – die Nase vorn. Die Mainzer wollen ja vielleicht ihre Wagen am Rheinufer aufstellen, und die Zuschauer gehen daran vorbei. Auch eine Idee.

Das CC will und muss beim Hoppeditz-Erwachen mit Livestreaming arbeiten. Sie selber schätzen face-to-face-Begegnungen, wird Ihnen zu Hause vor dem Rechner oder TV nicht was fehlen?

Tilly: Das Hoppeditz-Erwachen ist ja keine so lange Veranstaltung. Damit käme ich klar. Und den Rosenmontagszug sehen doch die Leute auch total gerne im TV, ist doch ein Renner. Ich sehe es als Chance. Corona zwingt das Brauchtum auch, Formen zu finden, die es gesellschaftlich aktuell bleiben lässt – auch bei jungen Menschen. Das schadet sicher auch nicht in der Zukunft.

Wie hat Ihr Team auf die Alternative zum Rosenmontagszug reagiert?

Tilly: Alle sind erleichtert. Die rund zehn Leute des Kernteams sind absolute Spezialisten für die Wagen im Rosenmontagszug. Ich hatte schon große Sorge, dass ich nicht alle halten kann. Da sind wirklich hervorragende Talente versammelt, es wäre sehr traurig und auch Verschwendung, wenn ich sie nicht hätte halten können. Ein solches Know-how wieder aufzubauen, dauert Jahrzehnte.

Um die Mottowagen wird ein Geheimnis gemacht. Warum?

Tilly: Die SPD-Frau Marlies Smeets hatte 1999 die Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt verloren. Ich zeigte sie deshalb – satirisch überspitzt – mit Messer im Bauch, darüber hat sie sich furchtbar aufgeregt, und das sorgte im Vorfeld des Rosenmontagszuges für viel Wirbel. Das CC hat beschlossen, die Wagen nicht mehr vorher zu zeigen. Diesen Stress, der damit verbunden war, können wir uns sparen. Übrigens: Hätte der CDU-Herausforderer Joachim Erwin verloren, ich hätte ihn genauso gezeigt.

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