Meinung Hambacher Forst und der Fall Sami. A – die zwei Seiten einer Medaille

Meinung · Das Oberverwaltungsgericht hat die Rodung im Hambacher Forst vorerst gestoppt. Es ist das zweite Mal, nach dem Fall Sami A., dass die Landesregierung NRW in die Schranken gewiesen wird.

Das Oberverwaltungsgericht stoppt die Rodungs-Pläne des Energiekonzerns RWE vorerst.

Das Oberverwaltungsgericht stoppt die Rodungs-Pläne des Energiekonzerns RWE vorerst.

Foto: dpa/Oliver Berg

Angesichts der medialen Begeisterung, die die Freunde des Waldes am Freitag über den Eilbeschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster verbreiteten, die Teil-Rodung des Hambacher Rest-Forstes vorerst zu verbieten, könnte man meinen, das OVG habe den „Hambi“ gerettet, RWE für böse erklärt und den Braunkohletagebau für immer beendet. Hat es aber nicht.

Das Gericht stellt die in der Sache genehmigte Rodung an sich überhaupt nicht infrage. Das Verbot gilt nur, so steht es gleich im ersten Absatz der Gerichtsmitteilung, „bis über die Klage des BUND NRW gegen den Hauptbetriebsplan 2018 bis 2020 für den Braunkohletagebau Hambach entschieden ist.“

Ulli Tückmantel

Ulli Tückmantel

Foto: Schwartz, Anna (as)

Ergangen ist das derzeitige Rodungsverbot nur, weil nach Auffassung des Gerichts weder die zuständige Bezirksregierung Arnsberg noch RWE „weder substantiiert dargetan noch durch entsprechende Unterlagen belegt“ hätten, „dass die sofortige Rodung zur Abwehr einer schwerwiegenden konkreten Gefahr oder als unaufschiebbare Maßnahme im Interesse des Gemeinwohls notwendig sei, weil anderenfalls die Energieversorgung bundes- oder landesweit nicht mehr gewährleistet wäre.“

Das ist kein Sieg über die Braunkohle, schon gar kein Sieg der Baumhaus-Bauer, die den Wald seit Jahren widerrechtlich besetzt halten, kein Triumph des „Widerstands“. Denn aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Je nach Gang der Verfahren hat der Hambacher Forst nun einen Aufschub mindestens bis zum Frühjahr 2019 erhalten, wahrscheinlich sogar einen von ein oder zwei Jahren. Ob danach die Forstsetzung des Braunkohle-Tagesbaus im Rheinischen Revier noch durchsetzbar ist, ist weniger eine juristische als vielmehr eine politische und gesellschaftliche Frage.

Juristisch sind die bejubelte „Hambi“-Entscheidung und der heftig kritisierte OVG-Beschluss, dass NRW den islamistischen Gefährder Sami A. unrechtmäßig nach Tunesien abgeschoben hat und deshalb zurückholen muss, zwei Seiten derselben Medaille. Weder macht das OVG Münster mit der „Hambi“-Entscheidung Energiepolitik, noch hat es mit dem „Sami“-Beschluss Asylpolitik gemacht. Es wacht lediglich über die Einhaltung der Spielregeln – und hat damit in beiden Fällen diejenigen überrascht, die rechtmäßig ergangene Entscheidungen seien damit in jedem Fall auch automatisch rechtskonform.

Bei RWE war die Überraschung so groß, dass der Konzern zunächst über Stunden sprachlos blieb. Die schwarz-gelbe Landesregierung sollte stutzig machen, dass das OVG Münster sie nun zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit in die juristischen Schranken weist. Es hilft halt nichts, sich lediglich im Recht zu fühlen, seine politischen Entschlüsse dann aber handwerklich nicht gerichtsfest umzusetzen.

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