Europa probt Einigkeit

Politiker nehmen Steuerbetrüger ins Visier.

Plötzlich soll alles ganz schnell gehen. Nur ein paar Stündchen dauerte der EU-Gipfel gestern in Brüssel — doch die Staats- und Regierungschefs sendeten danach eine Botschaft nach außen: Schluss mit Steuerbetrug und mit Steuerschlupflöchern — und das am besten schon bis Ende des Jahres.

Selbst aus Österreich, bisher eines der letzten Steuerparadiese Europas, kamen ungewohnte Töne: „Das ist ein schlechter Tag für Steuerbetrüger“, ließ Kanzler Werner Faymann verlauten. Da reibt man sich doch verdutzt die Augen. Österreich hatte sich bis zuletzt mit Händen und Füßen gegen Änderungen beim Bankgeheimnis für Ausländer gewehrt. Eine einheitliche Linie der Europäer war bisher nicht in Sicht.

Auch wenn sich Luxemburg noch ziert — nun ist ein Stimmungsumschwung erkennbar. Europa probt Einigkeit. Der Ankauf von Steuer-Daten durch Deutschland, prominente Steuersünder-Fälle, wie der von Uli Hoeneß und die dadurch ausgelöste Welle von Selbstanzeigen könnten dabei eine Rolle gespielt haben. Darauf deuten auch Aussagen von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hin, der — etwas verklausuliert — auf die sich häufenden Fälle von Steuerbetrug hinwies: „Wir müssen das Momentum nutzen, um den Druck aufrechtzuerhalten.“

Dabei nehmen die Europäer nicht nur private Steuersünder ins Visier. Der Fall des Apple-Konzerns, der trotz milliardenschwerer Gewinne relativ wenig Steuern zahlt, hat die Politiker aufgerüttelt. Noch wäre es in Europa zwar undenkbar, dass ein Vorstand wie Apple-Chef Tim Cook Politikern Rede und Antwort zur Steuerstrategie des Konzerns stehen muss. Doch ein Anfang ist gemacht. Dabei müssen die Politiker einsehen, dass die Unternehmen bisher meist ganz legale Steuertricks nutzen — und den Staaten damit Milliarden Euro an Steuereinnahmen verloren gehen.

Es ist Aufgabe der Politik, für Steuergerechtigkeit zu sorgen — bei Privatleuten und bei Unternehmen. Das kann nur dann gelingen, wenn Betrug geahndet und Schlupflöcher gestopft werden. Und das nicht nur in einem Land, sondern mindestens europaweit. Die ersten Schritte sind getan. Die Europäer haben nun die Chance, bei einem Thema endlich einmal gemeinsam erfolgreich zu punkten.

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