Meinung Eine Klatsche für Politik und Autoindustrie

Diesel-Fahrverbote in Städten mit dreckiger Luft sind zulässig — das ist der Kern des Leipziger Urteils. Millionen von Autofahrern müssen sich darauf einstellen, dass ihr Fahrzeug an Wert verliert, weil es nicht mehr überall in der Republik fahren darf.

Meinung: Eine Klatsche für Politik und Autoindustrie
Foto: Sergej Lepke

Die Gesundheit von Menschen ist wichtiger als das Bedürfnis nach uneingeschränkter Mobilität, wenn sie mit zu hohen Abgaswerten einhergeht. Recht so. Trotz dieser Konsequenz lässt das Urteil genügend Spielraum, um Anpassungen an die neue Wirklichkeit zu ermöglichen. Ausnahmen für Anwohner oder Handwerker werden vom Gericht ausdrücklich erlaubt.

Das Urteil ist eine Klatsche für Politik und Autoindustrie. Es belegt, wie sehr beide beim Thema Diesel versagt haben. Der EU-Grenzwert für Stickoxide gilt seit 2010 — und wird seitdem in zahlreichen deutschen Städten überschritten. Dass Volkswagen, Mercedes, BMW & Co. die Abgasnormen nicht einhalten, ist seit vielen Jahren bekannt. Sauber sind die Fahrzeuge nur im Labor, auf der Straße ist alles erlaubt — meistens ganz legal, bisweilen auch mit manipulierter und damit rechtswidriger Motorsteuerung. Es hat die Politik nicht interessiert. Vor allem der ehemals zuständige Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) meinte, die Autobauer vor angeblich zu harten Sanktionen schützen zu müssen. Im Ergebnis sind auf den Straßen neue Euro-6-Diesel unterwegs, die nicht mal im Ansatz so sauber sind wie in der Werbung versprochen.

Dass Fahrverbote jetzt in etlichen Städten kommen, ist sehr wahrscheinlich. Denn anders ist es nicht möglich, dem Leipziger Urteil zu entsprechen, die Stickoxid-Grenzwerte „schnellstmöglich“ einzuhalten. Und damit wächst der Druck auf die neue Bundesregierung, die blaue Plakette einzuführen. Nur mit ihrer Hilfe sind Polizei und Ordnungsdienste in den betroffenen Kommunen in der Lage, Fahrverbote für ältere Diesel-Pkw effizient zu kontrollieren. Die absurde Alternative sind Kontrollen, bei denen die Polizei die Fahrzeugpapiere „verdächtiger“ Autos prüft. Dass die Sache mit dem Plaketten funktioniert, zeigen die Erfahrungen mit den einst verteufelten Umweltzonen in vielen deutschen Ballungsräumen. Grüne Plaketten gibt’s nur für Fahrzeuge, die nicht zu viel Feinstaub ausstoßen. Wir haben uns längst daran gewöhnt. Und der Grenzwert für Feinstaub wird inzwischen bundesweit nur noch in Stuttgart überschritten — was viel mit der Kessellage der Stadt zu tun hat.

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