Konzert im Kölner Fußballstadion Konzert von Muse - Der Weltuntergang im dröhnenden Musicalformat

Köln · Muse aus Wales sind im Rock-Olymp angekommen und triumphieren im Kölner Fußballstadion.

 Blockbuster der Rockmusik: Muse-Frontmann Matthew Bellamy – hier beim Auftritt in Nimwegen zwei Tage vor dem Kölner Konzert.

Blockbuster der Rockmusik: Muse-Frontmann Matthew Bellamy – hier beim Auftritt in Nimwegen zwei Tage vor dem Kölner Konzert.

Foto: AFP/PAUL BERGEN

Die Botschaft ist eindeutig: „They will not control us“, schreit Matthew Bellamy ins Mikrofon. Sie werden uns nicht kontrollieren. Es ist eine Zeile aus dem Song „Uprising“. Und eine Parole wie aus dem nächstbesten Demoplakat beim G8-Protest geschnitten. Indes: Der Frontmann von Muse legt weder Hass noch Aggression in diese Zeile. Er kleidet sie in den epischen Gestus eines Freddie Mercury und versetzt sie mit der Rotznäsigkeit eines trotzigen Kindes. Schließlich ist das hier Pop. Nicht Politik.

Und die Menge tobt und stimmt mit ein. Und erkennt nicht, dass ihr in diesem Augenblick genau das widerfährt: Sie wird kontrolliert. Von einer Band und deren Show, die so bombastisch und größenwahnsinnig ist, dass sie eigentlich nur mit völligem Kontrollverlust während des Planungsprozesses erklärt werden kann.

Allein Nerds, die den ganzen Tag über „Zurück in die Zukunft“, „Tron“ und „Star Wars“ schauen und nachts am Computer feindliche Raumschiffflotten wegballern, können sich so was ausdenken. Oder Muse eben, die zeigen, wie Pop seit dem Urknall funktioniert: zurückhaltungslos. Und mit dem unerschütterlichen Glauben daran, dass alles möglich und erlaubt ist, was nichts zu tun hat mit dem Alltag da draußen.

Über die Brillengläser flirren rote LED-Wellen

Im Falle dieser drei abseits der Bühne so unscheinbaren Typen aus Wales als Land, in dem normalerweise der Hund begraben ist, heißt das: Der Sänger hat wechselnde Brillen vor den Augen, über deren Gläser rote LED-Wellen flirren. Tänzer in Soldatenkampfmontur stürmen die Bühne und verschießen Rauch aus Nebelkanonen. Statisten in Weltraumanzügen kraxeln an Seilen die riesige Monitorwand hinauf, über die Szenen wie aus Computerspielen flimmern. Und dann wird auch noch die zehn Meter hohe Puppe eines Cyborg-Skelettes aufgepumpt: Die Kiefer klappen gierig auseinander. Aus dem Maul strahlen Lichtblitze, die Matthew Bellamy in Szene setzen, wenn er am Mikrofon so wundervoll greint.

Es ist die Apokalypse als Rockoper. Der Weltuntergang im dröhnenden Musicalformat. Anders gesagt: Wer zu viele Science-Fiction-Schmöker liest und sich immer schon mal gefragt hat, wie die Welt in 30 Jahren aussehen könnte, der muss zwingend einmal zu Muse gehen und sehen: Wir werden – der „Simulation Theory“ entsprechend, wie diese Tour und das aktuelle, an der popkulturellen Sci-Fi-Ästhetik der 80er angelehnte Album dieser Band heißen – in der Matrix leben. In der Simulation eines Lebens, über das wir nicht mehr selbst bestimmen und für dessen Erhalt wir mehr kämpfen müssen als je zuvor. Gegen Maschinen und Künstliche Intelligenz.

Es ist kein Wunder, dass Muse im Rock-Olymp angekommen sind und in Köln vor 50 000 Menschen nach eigenen Worten das erste Konzert in einem deutschen Fußballstadion spielen und triumphieren. Sie haben über Jahre an ihrem einzigartigen Sound gefeilt mit Instrumenten, die blinken und leuchten und gefühlt mehr technische Extrabausteine enthalten als der Zentralrechner der CIA.

Von Anfang an haben sie es darauf abgesehen, die Größten zu werden. Jetzt sind sie es. Ein Blockbuster des Rock. Wenn Matthew Bellamy am Ende seine Hi-Tech-Gitarre ins Schlagzeug schmeißt, dann fehlt eigentlich nur noch, dass das Stadion auseinanderbricht, während die Credits dieses irren Filmes über die aus den Trümmern ragende Leinwand laufen. Aber diesen Knall heben sich Muse sicher für die nächste Tournee auf, nach der sie dann in einem Raumschiff ins All entschwinden werden, um anderswo Popkrawall zu machen.

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