Beliebiger Name, fantastische Songs

Die US-Combo Hockey beweist, dass man auch in Zeiten von Internet-Hypes noch ganz regulär entdeckt werden kann.

Düsseldorf. Eigentlich ist es ein Wunder, dass es bis heute gut ging mit Hockey. Schließlich machte das Quartett aus dem amerikanischen Portland nahezu alles falsch, was man als aufstrebende Band falsch machen kann.

Da wäre zum Beispiel der Name: Hockey. Das klingt nicht cool. Das klingt nicht lässig. Das klingt eigentlich eher so, als hätten sich hierzulande Juli und Silbermond "Fußball" und "Handball" genannt. Noch nicht einmal an dieses ominöse, geradezu magisch Erfolg versprechende "The" haben sie gedacht.

Und dann bedeutet der Bandname auch noch den absoluten Recherche-Gau im Internet. Hämisch ausgedrückt könnte man sagen: Gerade dort, wo sich Künstler heutzutage so billig, schnell und umfassend wie nirgends sonst präsentieren können, haben Hockey ein klassisches Eigentor geschossen. Denn wer "Hockey" googelt, bekommt über 88 Millionen mögliche Klicks angezeigt. Sie sind die Nadel im Daten-Heuhaufen.

Und dass sie ihr Debütalbum mit "Mind Chaos" genauso genannt haben wie ihre im vergangenen Jahr erschienene erste EP, macht es nicht besser. Wie soll man das bitteschön alles auseinander halten?

Überhaupt ist man geneigt zu fragen, wie es diese Band geschafft hat, in diesem Sommer auf den weltweit bedeutsamsten und größten Openair-Festivals - Lollapalooza (USA), Glastonbury (England), Rock am Ring (Deutschland) - zu spielen und vom Publikum frenetisch abgefeiert zu werden.

Schließlich starteten Hockey, denen der Name nach Aussage von Gitarrist und Sänger Benjamin Grubin rein spontan einfiel, noch 2007 als Zwei-Mann-Projekt in Los Angeles: Die College-Abgänger Grubin und Jeremy Reynold rumpelten, rockten und frickelten sich elektronisch unter Begleitung eines sterilen Drum-Computers über die Bühnen der kleinen Clubs.

Irgendwann zogen sie nach Washington, wo sie Drummer Anthony Stassi und Keyboarder Ryan Dolliver rekrutierten. Das Kollektiv wiederum ließ sich in Portland nieder, nahm dort im Keller ein Demoband auf, schickte es rund - und wartete einfach mal ab.

Und was in 99 Prozent der Fälle im großen Nichts endet, entwickelte sich für Hockey zum Volltreffer, als sie vom Fleck weg vom großen Label Capitol Records verpflichtet wurden. Wohlgemerkt: Ohne ein Album veröffentlicht zu haben. Ohne eine der üblichen Songpaletten zum Runterladen ins Netz gestellt zu haben. Ohne überhaupt irgendetwas im Angebot zu haben, was die Leute in Schallplattenläden und auf Festivals treiben könnte.

Da war nur dieses eine - natürlich wiederum nicht so leicht zu findende - Internet-Video zu diesem einen Song: "Too Fake". Und genau dieser Song war das schlagende Argument für Hockey. Kein noch so dämlicher Name, kein Ignorieren sämtlicher Vermarktungsregeln, keine noch so auf Zufall basierende Gründungsgeschichte einer Band hat eine Chance gegen: Ohrwürmer. Schließlich gründet das Genre Pop seit Elvis und der Erfindung der Single gewissermaßen auf dem "Prinzip Ohrwurm".

Und "Too Fake" ist einer. Sogar einer, unter dem der Rest des Albums (siehe Kasten rechts) ein wenig krankt. In ihm vermischen sich New Wave, Indiepop, Lo-Fi-Rock mit einem Refrain, der den Hörer geradezu anspringt, ihn in der Disco auf die Tanzfläche treibt, ihn wieder und wieder die "Replay"-Taste am CD-Spieler drücken lässt.

Ein Juwel mit einer Spielzeit von 3:45 Minuten, das erstmal ausgegraben werden will - das ist nun also der Grundstein, auf dem Hockey ihren Erfolg aufbauen. Ach ja: Hinzu kommt, dass der Song ein wenig nach den Strokes klingt. Das sind jene Helden, die seit der Jahrtausendwende als Galionsfiguren des "New-Rock" gelten und deren neues Album - wann immer es auch erschienen mag - so sehnlich erwartet wird wie kaum ein anderes.

Da kommen Hockey mit ihrem Sound als Strokes light gerade recht. Bei jeder anderen Band würde man sagen: ein kluger Schachzug. Im Falle dieser Jungs aber war das wahrscheinlich vollkommen unbeabsichtigt.

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