Pop: Whitney Houston schafft’s nicht

Neues Album „I Look To You“ ohne vokale Leuchtkraft und Pepp.

Düsseldorf. Der absolute Tiefpunkt in der Karriere von Whitney Houston blieb den Deutschen weitgehend verborgen. In den USA allerdings spricht man noch heute davon.

2005 nahm die Über-Diva an einer Reality-Show teil, die das müßiggängerische Dasein ihres damaligen Ehemannes Bobby Brown medial begleitete.

Nun ist es ja durchaus Sinn einer solchen Nabelschau, mit der Kamera intime Bekenntnisse einzufangen und den Star in einem neuen, am besten leicht proletarischen Licht zu präsentieren. Miss Houston allerdings entblätterte hier den Rest Würde ihrer ohnehin von Drogengeschichten und Konzertausfällen gebeutelten Außenwirkung.

Ununterbrochen schallte das vielgescholtene Vierbuchstabenwort durch die Nobelvilla des Promipärchens, und beim Grillen stachelte die seltsam entrückte Houston Bobby an, mit ihr für etwas nicht Kamerataugliches in die Büsche zu verschwinden.

Wenn in Deutschland verzweifelt um Aufmerksamkeit hechelnde Boulevard-Exponate wie Gülcan Kamps so etwas tun, schüttelt man milde lächelnd den Kopf. Bei Whitney Houston, die zu den größten Plattenstars aller Zeiten zählt, war man einfach nur ratlos.

Mit einem neuen Album will sie nun einen Strich unter diese Phase fernbestimmter Exzesse ziehen. 2007 ließ sie sich von Brown scheiden und suchte die Versöhnung mit ihrem Entdecker, Mentor und Produzenten, dem Plattenboss Clive Davis.

Schließlich war "Just Whitney", das einzige Album, das nicht unter seiner Ägide entstand, ihr größter und bislang einziger Flop.

Doch das ist das Problem: Sieben Jahre sind seither vergangen. Da die Öffentlichkeit davon wenig Notiz nahm, beläuft sich die Pause gefühlt sogar auf ein Jahrzehnt - so lange liegt ihr letzter großer Hit zurück. Mit einem bloßen Comeback ist es da nicht getan.

Wie der oft bemühte Phönix müsste Houston aus der Asche steigen, um wieder ganz oben mitspielen zu können. Dazu allerdings sind die Tracks ihres Werks "I Look To You" zu freudlos geraten.

Kein Song überrascht mit außergewöhnlichen Arrangements, so wie sie auf "My Love Is Your Love" zu finden waren, und auch kompositorisch sind ihre Mitstreiter Diane Warren, David Foster, R. Kelly und Alicia Keys so peinlichst auf Nummer sicher gegangen, dass die einzelnen Titel hinter einer gelackte Fassade aus Wohlklang und rhythmischer Beliebigkeit verschwinden.

Am erstaunlichsten allerdings ist, dass dem größten Pfund, mit dem Houston wuchern kann, ihrer grandiosen Stimme, nicht der Freiraum gegeben wird, um aus dem Pop-Einerlei denkwürdige Momente herauskitzeln zu können.

Normalerweise müsste sie langsamen Nummern wie dem Titeltrack "I Look To You" oder dem zu süßlich orchestrierten "I Didn’t Know My Own Strength" eine gefühlvolle Grandezza schenken können, ungefähr so, wie sie es früher bei eher unentschlossenen Songs wie "I Learned From The Best" (1999) getan hat. Stattdessen bleibt ihr Organ blass, fast schon trocken brüchig.

Bezeichnend für dieses Dilemma ist da die erste Single "Million Dollar Bill", die das Album auch eröffnet. Während man noch wartet, dass die launige Uptempo-Nummer dem ersten Höhepunkt entgegensteuert, endet sie abrupt und ohne Vorwarnung. Ein Verhallen im Nichts. Soll sie das gewesen sein, die vollmundig angekündigte Wiederkehr?

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