Kneffels eindrucksvoller Zyklus

Neue Schauen in Haus Esters und Haus Lange in Krefeld.

Krefeld. Weiß Gott, was der unbekannte Voyeur im Schilde führt. Seelenruhig blickt er durch die Fenster ins Privatleben der wohlhabenden Familie, die im Haus Esters in Krefeld residiert.

Regentropfen an der Scheibe und Spiegelungen verraten seine Perspektive, auch im Dunkel des Gartens könnte er lauern. Einmal hat er mit Wasser einen Smiley auf das Glas gemalt, der aussieht wie ein höhnisch grinsendes Gespenst.

Karin Kneffel, Meisterschülerin von Gerhard Richter und Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in München, hat in 14 Gemälden die Vergangenheit des Krefelder Museums als Wohnhaus der Familie Esters erkundet. Dabei ist keine Idylle entstanden.

Die Voyeur-Perspektive, die Kneffel ihren Bildern verleiht und in die sich auch der Betrachter gedrängt sieht, irritiert, ebenso wie die seltsamen Sprünge in der zeitlichen Logik. Als Familie Esters in diesem Interieur lebte, war der Farbfernseher noch längst nicht erfunden, doch er spiegelt sich im Fenster: In der Filmszene schaut eine Frau einem Mann beim Umziehen zu - noch eine Voyeurin.

Auch in den noblen Räumen selbst geht nicht alles mit rechten Dingen zu: wehende Vorhänge, unerklärliche Lichter, ein zerbrochener Blumentopf auf dem Fußboden - die perfekte Kulisse für einen Gruselfilm. Auf einem anderen Bild kippt die Stimmung ins Fantastische, scheinen golden glänzende Regentropfen durch den Wohnraum zu schweben.

Ironisch wird es, wenn sich im schimmernden Parkett der Eingangshalle eine feierliche Gesellschaft spiegelt. Wer genau hinsieht, erkennt auf dem Bild Museumsdirektor Martin Hentschel im Gespräch mit einem Mitglied der Familie Esters.

Ein paar Schritte entfernt steht Architekt Ludwig Mies van der Rohe, der das Haus entworfen hat. Hinter jedem Rätsel in Kneffels Bildern scheint stets ein neues Rätsel zu stecken. Mehr als ein Jahr lang saß die Künstlerin, die in Düsseldorf arbeitet, aber im Rheinland lange keine Ausstellung hatte, an ihrem eindrucksvollen Zyklus.

Einen ganz anderen Ansatz als sie wählt nebenan in Haus Lange der Brite Blaise Drummond, der die Natur ins Haus holt, von einem Baum im Foyer bis zu malerischen Utopien, in denen Architektur und Landschaft ineinanderfließen. Beide Ausstellungen bringen den vertrauten Charakter der Krefelder Villen ein weiteres Mal ins Wanken, getreu Kneffels Haltung: "In der Kunst geht es um das Erzeugen eines Zweifels, um etwas, das man selber noch nicht ganz verstanden hat."

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