Jelinek: Geld ist der Gott

Die Nobelpreisträgerin sah hellsichtig bereits früh den großen Crash voraus.

Köln. Die Blase ist geplatzt, Hans im Glück hat ein leeres Papier für seine goldene Gans bekommen, der Glaube an den Gott des Geldes ist dahin. Elfriede Jelinek widmet ihr neues Stück den Machenschaften der Banken und dem Elend der Kleinanleger. Etwa jenen 150 000, die ihr Erspartes vor zwei Jahren bei der österreichischen Meinl-Bank verloren haben. Obwohl es "mündelsicher" angelegt war, ein Wort, das für die sprachverliebte Autorin ein gefundenes Fressen ist: "Sie wollten also Ihr Mündel in Sicherheit und Ihr Schäfchen ins Trockene bringen, aber Sie haben gar kein Mündel, was brauchen Sie also Sicherheit?"

So spricht der "Chor der Greise", nämlich die Finanzmanager. Elfriede Jelinek, die österreichische Literaturnobelpreisträgerin, nennt "Die Kontrakte des Kaufmanns" eine "Wirtschaftskomödie", denn der "Dialektik zwischen dem Offensichtlichen und seiner Verdrängung" entlockt sie bittere Komik. Darum lässt sie die Banker schonungslos offen und zynisch reden. Auf ihrer Hauptversammlung auf der Steueroase Jersey verhöhnen sie die Verlierer: "Ihr Kapital lebt doch noch!, was beklagen Sie sich?, es lebt auf einer schönen Insel, ja freut Sie das denn nicht, dass es lebt?"

Aber das Rentnerpaar, das unglücklich und verzagt auf dem verpackten neuen Sofa sitzt, das es sich nun nicht mehr leisten kann, freut sich nicht. In einer Koproduktion mit dem Thalia-Theater hat der erfahrene Jelinek-Regisseur Nicolas Steman die Uraufführung am Schauspiel Köln inszeniert, nachdem er vor einigen Wochen schon eine Ur-Lesung in Wien auf die Bühne brachte. Deren improvisatorischen Charakter wollte er beibehalten: Es sei keine fixierte Inszenierung zu erleben, sondern eine "Text-Umsetzungs-Maschine", kündigte er vor der Premiere an, die pausenlose dreieinhalb Stunden dauert, aber bitte, man könne jederzeit den Saal verlassen, sich im Foyer stärken, der Ton würde auch dorthin übertragen.

Das zumindest ist wie bei der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, ansonsten hat die Aufführung damit wenig zu tun. Sie ist bei aller Lockerheit - und obwohl Teile des Textes vom Blatt gelesen werden - doch sehr genau und abwechslungsreich inszeniert, mit Musik und gelungenem Einsatz einer Videokamera. Nicolas Stemann, der neben so großartigen Schauspielern wie Maria Schrader, Sebastian Rudolph oder Patrycia Ziolkowska auch selbst mitspielt, hat aus dem Textwust den religiösen Aspekt herausgefiltert.

Das Geld ist Gott, weil der Glaube der Anleger es dazu macht. Auf einen Profit hin sparen, das ist so ähnlich wie der Jenseitsglaube, man investiert in ein "todsicheres Nichts". Aber nun ist dieser Geld-Gott tot, die Erlöse sind dahin, der "Erlöser" wird mit Dollarnoten gekreuzigt, und wie einen Passionschoral singen die Banker: "Der Börsenkurs ist gefallen, weh, weh, weh!"

Bis zum Überdruss wird den Kleinanlegern (und dem Publikum) um die Ohren gehauen, wie naiv das Vertrauen in die "treuen Hände" des Finanzmarktes ist, um dann zum Ende die traurigen Folgen des verlorenen Glaubens zu zeigen. "Engel der Gerechtigkeit" treten auf, Menschenopfer werden gefordert, aber der Protest bleibt zaghaft. Schließlich heißt es: "Selber schuld!" Die oft amüsante Aufführung kippt in die Tragödie. Beeindruckter Applaus, Jubel für die Darsteller. Wertung: Stück: nnnnn Ausstattung: nnnnn Regie: nnnnn Ensemble: nnnnn

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