Wo ist Lila? : Ferrante-Saga endet mit düsterem letzten Band
Rom/Berlin (dpa) - Fans von Elena Ferrante dürften sich in den nächsten Tagen kaum vom Sofa wegbewegen: Der vierte und letzte Teil ihrer Neapel-Saga um die Freundschaft der beiden Frauen Elena (Lenù) und Raffaela (Lina oder Lila) erscheint an diesem Freitag (2.2.) endlich auf Deutsch.
Schon der Titel „Die Geschichte des verlorenen Kindes“ ist bemerkenswert. So viel sich der Leser vorher ausmalen mag: Was Ferrante erzählt, ist nichts, womit man rechnet. Umso kälter erwischt es einen. Tatsächlich ist der letzte Band der düsterste, der spannendste und der traurigste.
In Italien wissen die Leser schon seit Oktober 2014, wie die Geschichte der mehr als 60 Jahre umfassenden spannungsgeladenen Freundschaft endet, im englischsprachigen Raum immerhin seit 2015. Für die deutschen Leser wird die Frage, was aus Lila geworden ist, jetzt ein letztes Mal aufgeworfen, denn zur Erinnerung: Genau mit diesem Rätsel hat die Saga einst begonnen.
Rückblick: Lenù, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, lebt in Turin, als sie einen Anruf von Lilas Sohn Rino bekommt: Er wisse nicht, wo seine Mutter stecke, all ihre Sachen seien verschwunden. Auch Lenù weiß nichts, aber sie erinnert sich an die jahrzehntelange Freundschaft zu Lila und all die widersprüchlichen Gefühle, die sie in der Zeit zu ihr hatte.
Diesen Erinnerungen widmet Ferrante mehr als 2000 Seiten: Elenas und Lilas Kindheit in einem heruntergekommenen, konfliktgeprägten Stadtteil Neapels, Lilas frühe Ehe, Elenas schulischer Erfolg, die Liebe beider zum rätselhaften Nino Sarratore, die harte Fabrikarbeit Lilas in Neapel, Elenas Intellektuellenleben in Pisa, die Schwangerschaften sowie das ständige Auseinanderdriften und Zusammenfinden der Freundinnen - all das bestimmte die ersten drei Bände. Der brutale Alltag im Neapel der 50er Jahre und seine tradierten Rollenbilder begleiteten die Geschichte dabei so wie die 60er und 70er Jahre in Italien mit ihren permanenten Auseinandersetzungen zwischen Faschisten und Kommunisten.
Kritiker haben Ferrante für dieses breite Gesellschaftspanorama genauso gelobt wie für ihre raffinierte Schilderung einer höchst komplizierten Frauenfreundschaft, bei der man nicht weiß, wen man nun eigentlich mögen soll: die schüchterne Elena, die nie so recht sagt, was sie wirklich denkt, ständig Selbstzweifel hegt und sich von der Anerkennung anderer abhängig fühlt („Wie sehr ich litt, wenn mir plötzlich die Zustimmung versagt wurde“). Oder die verschlagene Lila, bei der stets unklar ist, was sie im Schilde führt? Auch im letzten Band wird die Beantwortung dieser Frage nicht einfacher.