Buch-Neuerscheinung Wenn ein BKA-Ermittler einen Krimi schreibt - Der Terrorexperte und die Mördergefühle

Düsseldorf · Neun Jahre war Andy Neumann beim BKA Ermittler im Terrorismusbereich. Jetzt legt er seinen ersten Krimi vor – und nimmt dabei die Perspektive des Serientäters ein.

 Andy Neumann ist BKA-Beamter, war zwischenzeitlich Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter im BKA, ist passionierter Musiker – und jetzt auch Krimiautor.

Andy Neumann ist BKA-Beamter, war zwischenzeitlich Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter im BKA, ist passionierter Musiker – und jetzt auch Krimiautor.

Foto: Axel Hausberg, axelphoto.de

Es ist Samstag, der 13. August 2016. Er ist betrunken und gerade aus der Kneipe geflogen. Die Gedanken streifen seine Frau, den letzten Streit, den jüngsten Rauswurf. Und sie drehen sich um Teufelskreise. Irgendwann, nachdem er seine marode Ehe bilanziert hat, denkt er beim Blick in den Nachthimmel: „Neun Jahre, neun Tote, und ihr habt immer noch keine Ahnung, wer ich bin.“

Der Autor, der sich auf diese Weise in die Gedankenwelt eines Serienkillers einfräst, heißt Andy Neumann. Der 44-Jährige steht eigentlich beruflich auf der anderen Seite, wenn man so will. Seit er 19 Jahre alt ist, arbeitet er für das Bundeskriminalamt (BKA) in Meckenheim, schaffte nach der Ausbildung direkt den Sprung zu den Terrorismusermittlern, ehe er sich neun Jahre später mit einem Masterstudium für den höheren Dienst qualifizierte. Und jetzt das: eine Krimipremiere, die aus der Perspektive des Mörders erzählt wird.

Platz für Realität, lange Ermittlungen und Erfolglosigkeit

Zu gängigen Krimis fehlt Neumann die Beziehung: „Sie nerven mich nicht, weil ich sie mir nicht antue.“ Aber natürlich treibt ihn an, was viele professionelle Ermittler antreibt, wenn sie sich dann doch auch im Krimi-Metier tummeln: eine Geschichte zu erzählen, die sich „halbwegs nah an der Realität“ bewegt, in der die langen Zeitspannen deutlich werden, mit denen es die ermittelnden Beamten oft zu tun haben, und auch die Phasen quälender Erfolglosigkeit. „Und unabhängig davon ist es so, dass die Faszination der Menschen für das Böse wiederum mich fasziniert hat“, sagt Neumann.

Also hat er sich darin versucht, so zu denken wie ein psychopathischer Mörder, auch wenn er bei dieser Klientel nie zu tun hatte während seiner Zeit im Terrorismusbereich. Aber ist es nicht so, dass in jedem guten Polizisten auch ein guter Verbrecher angelegt ist? Sein Einfühlungsvermögen in die Mörderempfindungen hat seine direkte Umgebung jedenfalls spürbar irritiert. Sein bester Freund drückt sich nach einem ersten Anlesen noch vor der kompletten Lektüre: „Er hat mir gesagt: So will ich dich nicht sehen.“ Und als Neumann seiner Frau kurz nach der Geburt der gemeinsamen Tochter die Passage zu lesen gab, in der der Killer seine Gefühlslage bei seinem dritten Mord vergleicht mit dem Gefühl junger Mütter (der eine löscht Leben aus, die andere schenkt neues Leben), musste er anschließend auf der Couch schlafen.

 Der Krimi „Zehn“ erscheint im Gmeiner-Verlag.

Der Krimi „Zehn“ erscheint im Gmeiner-Verlag.

Foto: Gmeiner-Verlag

Ganz allein auf die Täterseite hat sich Neumann bei seinem Erstling gedanklich dann aber doch nicht geschlagen. Es gibt noch zwei weitere Blickwinkel: den des Kriminalbeamten Torben Kanther und den des Polizeireporters Rolf Günther Niessen. Letzterer wird in dem Buch nicht gerade als Sympathieträger eingeführt: Kanthers Polizeikollege nimmt seine „schmierige Visage“ wahr und stuft ihn als jemanden ein, der sich gern benimmt, „als wäre er selbst der bessere Polizist“.

Ein Vorwurf, den Neumann als damaliger Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) im BKA vor knapp fünf Jahren mal in ähnlicher Weise erhoben hat – in einem offenen Brief an den damaligen „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann. Es ging um den Absturz der Gemanwings-Maschine in den französischen Alpen und Neumann erregte sich darüber, dass „da draußen“ jetzt Hunderte Journalisten rumliefen, die „das tun, was sie immer tun wollten: Detektiv spielen“. Heute sagt der BKA-Beamte, er habe zur Presse wie zu Strafverteidigern „ein differenziertes Verhältnis“. Den Brief an Diekmann, der anschließend nicht nur in der Medienbranche heftig diskutiert wurde, habe er damals im Affekt verfasst. „Ich würde das heute anders schreiben.“

Neun Morde in neun Jahren, der Roman heißt „Zehn“. Es lässt sich erahnen, auf was der Plot zusteuert. Eigentlich hatte sich Neumann für seinen Krimi ein „Tarrantino-Ende“ vorgestellt. Das ist es jetzt doch nicht geworden, trotz eines Showdowns. Überhaupt endet die mehr als 380 Seiten umfassende Geschichte nicht ganz so offen wie ursprünglich geplant, aber es lösen sich auch nicht alle Fragen auf.

Dafür ist eine Fortsetzung schon grundsätzlich angelegt, mit zumindest einigen der eingeführten Charaktere. Der Verlag will es, der Autor auch, fehlt nur noch die Meinung der Leser. Sie haben ab 8. April die Möglichkeit, sich ein Urteil zu bilden.

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