Premiere: Vincenzo Bellinis Erfolgsoper „La Sonnambula“ Starke Stimmen, schwache Regie

Schlafwandeln als Krankheit war vor 200 Jahren noch unbekannt, zumal wenn eine junge Frau im Traum in der Hochzeitsnacht plötzlich als „La Sonnambula“ durch ein Schweizer Dorf geistert und nicht bei ihrem Geliebten landet, sondern im Schlafzimmer eines älteren Grafen.

Szene aus der Düsseldorfer Premiere von Bellins Oper „La Sonnambula“.

Szene aus der Düsseldorfer Premiere von Bellins Oper „La Sonnambula“.

Foto: Monika Rittershaus/DOR

Klar, dass in der Gemeinde am Tag nach dieser Nacht die Alarmglocken klingeln. Und jeder glaubt, sie hätte ihren Bräutigam betrogen. Doch wie es sich für ein Schauermärchen gehört, wendet sich das Blatt für Amina und Elvino. Nach manch dramatischer Wendung klärt sich der Irrtum am Ende der gleichnamigen Oper von Vincenzo Bellini-Oper (La Sonnambula) in der allerletzten Minute auf. Und die Party kann beginnen. Das Ganze ist jetzt in der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf zu erleben: als modernes Salon-Märchen – angereichert mit reichlich Psychoplunder.

Bei der Düsseldorfer Premiere donnerten – nach dem Sänger-Applaus – zunächst kräftige Buhrufe für auf Regisseur Johannes Erath ein. Nun ist die Regie bei dieser Art von Oper, die Bellini 1831 nur für Starsänger komponiert hatte, unerheblich. Sie wird höchstens als schmückendes Beiwerk erwähnt. Denn an der – für heutiges Opernpublikum – haarsträubenden Handlung haben sich schon manche Regisseure verhoben. So versucht es Erath hier mit einer doppelten Amina. Die eine schlummert im Hochbett neben dem Bräutigam Elvino, die andere wandelt im Schlaf durch das Dorf.

Ob in dieser Szenerie (Bühne: Bernhard Hammer, Kostüme: Jorge Jara) moderne Traumdeuter am Werk waren? Überzeugen will dieses Motiv nicht so recht, passt es doch weder zur Personage, noch zum Gesang der Figuren. Außerdem verhindert das Regieteam (etwa durch straffende Kürzungen) nicht, dass sich die Oper durch Wiederholungen auf knapp drei Stunden in die Länge zieht.

Doch mit stürmischen Ovationen feierten Belcanto-Fans neben dem auftrumpfenden, stilsicheren Opernchor (Leiter: Patrick Fancis Chestnut) und den Düsseldorfer Symphonikern unter Antonino Fogliani besonders das Sänger-Ensemble: angeführt von den Gästen Stacey Alleaume als Amina und Edgardo Rocha als Elvino. Hoher Sopran und Tenor stehen in allen Bellini-Opern nicht nur dauernd an der Rampe, sondern im Vordergrund. Es geht in erster Linie um „Belcanto“, um auf die Spitze getriebenen Schöngesang. Es geht um Koloraturen, geschleuderte und lang gehaltene Töne am laufenden Band, einlullende Melodien, Liebe, Leidenschaft, Tragik und künstlich erzeugtes Drama. Dreivierteltakt-Glamour ist das Spezialgebiet von Maestro Fogliani, der der Bellini-Komposition die notwendige Eleganz und Brillanz verleiht.

Als Einspringerin überzeugte die Australierin Stacey Alleaume als schlafwandelnde Amina. Erst vor wenigen Wochen übernahm die junge Sopranistin diese Partie. Zwar tremoliert Alleaume anfangs stark, dreht laut auf und rettet sich manchmal in unruhige, kalte und schneidende Spitzentöne, doch sobald sie leise singt, blüht und leuchtet ihr Sopran und kommt dem Bellini-Ideal sehr nahe. Im zweiten Teil gewinnt sie an Sicherheit und Ausstrahlung.

Als Prachtexemplar eines italienisch klingenden Tenors lässt sich Edgardo Rocha bezeichnen. Der Sänger aus Uruguay verfügt über verführerischen Schmelz eines eleganten Kavaliertenors, genauso über mühelose Höhen. Er überzeugt als leidenschaftlicher Elvino, der alles für die Liebe seiner Amina gibt. Er zieht aber auch die Register des enttäuschten Liebhabers, wenn er (für kurze Zeit) seiner schlafwandelnden Verlobten die kalte Schulter zeigt.

Spitzenleistungen bieten auch die Rheinoper-Solisten: Heidi Elisabeth Meier betört mit einem leichten, lyrischen Sopran. Als Lisa – die rivalisierende Schwester von Amina – singt sie auf Linie und umgarnt die Männer. Und Bogdan Talos mit seinem samtigen, schlackenfreien Bass-Bariton spielt souverän den reifen, gutmütigen  Grafen Rodolfo und  damit den Gegenpart zum schwärmerischen Elvino. Szenenapplaus auch für ihn. Fazit: musikalisch insgesamt ein Hit, szenisch unerheblich.

Termine: 4., 9., 12., 15., 18., 24. März. Karten unter Telefon: 0211/ 89 25 211.

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