Interview „Flugtickets für 19,90 Euro wird es nicht mehr geben“

Berlin · Den Sommerurlaub trotz Corona buchen – ja oder nein? Und was, wenn wegen der Krise der Flug ausgefallen ist? Der Chefredakteur der Zeitschrift „Finanztip“, Hermann-Josef Tenhagen, erläutert im Gespräch mit unserer Redaktion, worauf die Verbraucher jetzt unbedingt achten sollten.

Interview: „Flugtickets für 19,90 Euro wird es nicht mehr geben“
Foto: dpa/Malte Christians

F: Herr Tenhagen, sollte man angesichts der Corona-Krise jetzt einen Sommerurlaub buchen?

A: Im Augenblick würde ich das nicht machen.

F: Wenn die Urlaubslust aber doch überwiegt, worauf müssen Verbraucher dann achten?

A: Dann sollte man nur einen Vertrag abschließen, bei dem man nichts anzahlen muss. Geld würde ich für einen Sommerurlaub jetzt nicht in die Hand nehmen.

F: Wie steht es denn überhaupt um das Angebot?

A: Wer mit seiner Familie beispielsweise eine Ferienwohnung sucht, wird auch eine finden. Die Frage ist nur, ob man zum Reisezeitpunkt auch zum Urlaubsort kommt - per Flugzeug, mit der Bahn oder mit dem Auto. Und: Ob man dort dann auch sein darf. Vieles steht im Moment in den Sternen. Deswegen rate ich von Buchungen zum jetzigen Zeitpunkt ab.

F: Was, wenn ich bereits vor Monaten für den Sommer oder Herbst eine Reise gebucht habe?

A: Ich würde unbedingt den Kontakt zum Veranstalter oder Anbieter suchen, ob die Reise auch stattfindet. Auf gar keinen Fall sollte man die nächste Rate zahlen. Dafür ist die Lage noch zu unsicher.

F: Wie verhält man sich, wenn die Reise oder der Flug wegen Corona und den Folgen ausfallen? Die Lufthansa zum Beispiel stellt Germanwings ein.

A: Im Augenblick ist es so: Findet eine Reise nicht statt, muss man von der Fluglinie innerhalb von sieben Tagen, bei einer Pauschalreise vom Veranstalter binnen 14 Tagen das Geld zurückbekommen. Das ist Europarecht. Ob das in der jetzigen Krise allerdings funktioniert, ist die Frage. Aber ich würde auf alle Fälle meine Rechtsposition wahren. Am Ende gilt aktuell leider: Recht haben und Recht bekommen, sind zwei verschiedene Dinge für den Verbraucher. In der derzeitigen Krise wird der Kunde gerade oft zum Kreditgeber für Reiseveranstalter.

F: Deswegen werden jetzt vielfach Gutscheine angeboten?

A: Das ist die Lösung, die auch von der Bundregierung forciert wird. Dadurch gibt man dem Veranstalter für anderthalb Jahre Kredit, entweder bucht man etwas anderes oder man bekommt erst hinterher sein Geld heraus. Nur: Viele Anbieter, die jetzt nicht zurückzahlen, werden vielleicht schon in den nächsten Monaten nicht mehr existieren. Die Frage ist, inwieweit die Bundesregierung dann die Gelder garantiert.

F: Wenn die Krise mal vorbei ist, muss man sich auf steigende Preise für das Reisen einstellen?

A: Ja. Die Flugtickets für 19,90 Euro wird es vermutlich nicht mehr geben. Den muss man allerdings auch nicht nachweinen. Das andere ist: Diejenigen, die bisher sehr auf Kante genäht Reisen anbieten, werden die Krise wirtschaftlich nicht überstehen. Auch dadurch dürfte das Reisen teurer werden.

Weitere Ratschläge: https://www.finanztip.de/coronavirus/reise/

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