Neuer Höhepunkt der Finanzkrise: Schwarzer Montag für US-Banken

Zwei der größten und traditionsreichsten US- Investmentbanken sind gescheitert. Weltweit gingen die Börsen auf Talfahrt. Notenbanken und Finanzbehörden standen bereit, zur Stabilisierung der Märkte einzugreifen.

New York/Frankfurt. Die Finanzkrise in den USA hat sich amMontag dramatisch zugespitzt und Schockwellen an den weltweiten Börsenausgelöst. Zwei der größten und traditionsreichsten US-Investmentbanken sind gescheitert. Nach vergeblichen Rettungsversuchenist die über 150 Jahre alte Bank Lehman Brothers insolvent.

Diedrittgrößte Investmentbank Merrill Lynch wurde von der Bank of Americaaufgekauft. Weltweit gingen die Börsen auf Talfahrt. Notenbanken undFinanzbehörden standen bereit, zur Stabilisierung der Märkteeinzugreifen. Zehn internationale Bankkonzerne, darunter die DeutscheBank, legten einen 70 Milliarden Dollar schweren Unterstützungsfondsauf, um sich gegenseitig auszuhelfen.

Der Deutsche Aktienindex DAX fiel am Montag auf den tiefsten Stand seitOktober 2006. Der Leitindex sackte kurzzeitig unter die wichtige Markevon 6000 Punkten, noch vor gut einem Jahr hatte er bei knapp über 8150Punkten einen Rekordstand erreicht. Besonders Banken- undVersicherungstitel sackten ab.

Die Aktienmärkte in Frankreich,Großbritannien und Russland verbuchten am Montag herbe Verluste, inAsien reagierten die Börsen ebenfalls mit einem kräftigen Minus. Als„schwarzer Montag für US-Banken“ werteten Commerzbank-Analysten dieZuspitzung der Finanzkrise.

Die Europäische Zentralbank (EZB) muss laut Notenbankchef Jean- ClaudeTrichet angesichts der derzeitigen Lage an den Finanzmärkten„außergewöhnlich wachsam“ sein. Man werde alles tun, um einordentliches funktionieren der Finanzmärkte sicherzustellen.

MehrereNotenbanken, darunter die Bank of England, versuchten am Montag mitmilliardenschweren Liquiditätsspritzen, die Geld- und Finanzmärkte zuberuhigen. Die Europäische Zentralbank (EZB) versorgte dieGeschäftsbanken des Euroraums am Montag kurzfristig mit liquidenMitteln von 30 Milliarden Euro.

Das Gesicht der amerikanischen Finanzbranche hat sich auf einen Schlagkomplett verändert: An der Wall Street gibt es mit Goldman Sachs undMorgan Stanley nur noch zwei unabhängige Investmentbanken statt fünfvor einem halben Jahr.

Lehman Brothers, die viertgrößte amerikanische Investmentbank,beantragte Gläubigerschutz nach Kapitel elf des US-Insolvenzrechts. Indem Verfahren kann sie zunächst einmal ihre Geschäfte weiterführen,ohne von ihren Geldgebern überrannt zu werden.

Die verzweifeltenRettungsbemühungen für Lehman Brothers scheiterten letztlich daran,dass die US-Regierung in anderen Fällen geleistete Staatshilfenausschloss und die Branche nicht bereit war, die milliardenschwerenRisiken zu übernehmen. Das Problem von Lehman waren vor allem vomAusfall bedrohte Kreditpapiere aus dem Immobiliensektor.

Die drittgrößte Investmentbank Merrill Lynch wurde in der Nacht zumMontag von der Bank of America aufgefangen. Die Lage bei Merrill warnicht so akut wie bei Lehman Brothers, sie litt jedoch auch unterMilliardenverlusten und fallenden Aktienkursen. Die Bank of America,die lange auch als Retter für Lehman umworben wurde, zahlt für MerrillLynch rund 50 Milliarden Dollar in Aktien.

Nach Einschätzung von Finanzexperten wird die Bankenkrise in den USAkeine Pleitewelle im deutschen Bankensystem hervorrufen. „Die Banken inDeutschland und Europa werden zwar weitere Abschreibungen vornehmenmüssen - da können sich ganz große Milliardenlöcher auftun“, sagte derProfessor an der TU Darmstadt, Dirk Schiereck.

Bundesfinanzministerium, Finanzaufsicht BaFin und Bundesbank beruhigtenin einer gemeinsamen Erklärung: Die Auswirkungen der Krise auf dendeutschen Markt seien „verkraftbar“. „Die Engagements deutscherKreditinstitute bei Lehman Brothers Holding, die einen Antrag aufGläubigerschutz angekündigt hat, halten sich in einem überschaubarenRahmen und sind verkraftbar.“

Ministerium, BaFin und Bundesbank stündenin engem Kontakt mit den internationalen Partnerbehörden und denSpitzen der deutschen Kreditwirtschaft. Die weitere Entwicklung werde„sehr genau“ beobachtet. Eine akute Gefahr, dass sich die Bankenkrisein den USA auf das deutsche Wirtschaftswachstum und damit auf dendeutschen Haushalt auswirkt, sieht das Bundesfinanzministerium nicht.

Die deutsche Finanzaufsicht hat unterdessen weitere Geschäfte derLehman Brothers Bankhaus AG blockiert. Gegenüber der Bank sei einVeräußerungs- und Zahlungsverbot erlassen worden, teilte dieBundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am Montag inBonn mit. Außerdem sei der Bank untersagt worden, Zahlungenentgegenzunehmen, die nicht zur Tilgung von Schulden ihr gegenüberbestimmt seien.

Dieses Moratorium habe angeordnet werden müssen, um dieverbliebenen Vermögenswerte zu sichern. Die Lehman Brothers Bankhaus AGmit Sitz in Frankfurt am Main weise gegenüber institutionellen KundenVerbindlichkeiten in Höhe von rund 14,3 Milliarden Euro aus. DieEinlagen der Kunden der Lehman Brothers Bankhaus AG sind im Rahmen desEinlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes geschützt.

Unterdessen kündigt sich das nächste Drama beim amerikanischenVersicherungsriesen AIG an. Der American International Group (AIG),einer der weltgrößten Versicherer, habe die US-Notenbank um einenÜberbrückungskredit von 40 Milliarden Dollar gebeten, berichtete die„New York Times“.

Das „Wall Street Journal“ berichtete, der Konzernwolle umfangreiche Sparten wie die weltweit führende Flugzeugleasing-Tochter ILFC verkaufen. Neue Investoren sollen zudem für eine dringendbenötigte weitere Finanzspritze von mehr als zehn Milliarden Dollar (7Mrd Euro) sorgen. AIG erlitt zuletzt Milliardenverluste und derAktienkurs fiel um 45 Prozent.

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