Wahlparteitag der Republikaner: Sara Palin tritt ihren Kritikern offensiv entgegen

Gouverneurin Sarah Palin betört die Republikaner. Die Vize-Kandidatin tritt Kritikern in ihrer Rede offensiv entgegen und gewinnt die Herzen.

St. Paul. Sollte John McCain an diesem Abendein tonnenschwerer Stein vom Herzen gefallen sein, wäre der Aufschlagwohl vom Jubel der Delegierten übertönt worden. Die Erleichterung wardem US-Senator freilich auch so anzumerken, als seine VizekandidatinSarah Palin in der Nacht zu Donnerstag ihre erste große Rede vor einemWahlparteitag der Republikaner beendet hatte.

„Glaubt ihr nicht, dasswir die richtige Entscheidung getroffen haben?“, ruft McCain in dieTagungshalle in St. Paul. Dieser Frage hätte es nicht mehr bedurft: Mitihrer aufgeweckten Ansprache hatte Palin die Herzen der Delegiertengewonnen, die sie umgehend offiziell als erste republikanischeKandidatin für die US-Vizepräsidentschaft nominierten.

Hinter McCain und Palin lagen schwierige Tage. Mit der überraschendenBenennung der kaum bekannten Gouverneurin aus Alaska hatte McCain eineFlut negativer Berichte über Palins familiäre Probleme und politischeUngereimtheiten in Gang gesetzt.

Die Personalentscheidung warf Fragennach seinem Urteilsvermögen auf und drohte die Partei zwei Monate vorder Wahl in die Defensive zu bringen. Der Druck ist also enorm, als diezierliche 44-Jährige in hohen Schuhen an das Rednerpult tritt. Sie hältihm stand. „Ich stelle mich der Herausforderung dieses harten Kampfs“,ruft Palin zu Beginn ihrer Rede und gibt damit den selbstbewussten,kämpferischen Ton vor, der den Abend prägen sollte.

Nervosität lässt sie nicht erkennen. Sie lächelt ungezwungen, setztgekonnt kleine Pointen. Schnell baut sie ein Verhältnis zum Publikumauf: Sie zwinkert charmant, die Delegierten feuern sie an. Was Palin sofrisch wirken lässt, ist ihr Redestil. Immer wieder dreht sienachdenklich die Augen nach oben, als ob sie überlege, was sie alsnächstes sagen soll.

Natürlich liest sie den Text ihrer Rede vomTeleprompter ab, doch die kleinen Gesten lassen sie spontan undnatürlich wirken. Natürlichkeit ist ihr großer Trumpf, sie spielt ihnimmer wieder aus. „Ich hatte das Glück, mein Leben in einer Kleinstadtzu verbringen“, sagt sie. „Ich war eine ganz durchschnittlicheHockey-Mutter.“

Politisch bleibt Palin vage. Es ist eine Vorstellungsrede, keineProgrammansprache. Sie spricht viel vom Leben auf dem Land und denWertvorstellungen, die sie von dort mit nach Washington nehmen will:Verantwortung, Fleiß, Patriotismus, Familiensinn. „Ich gehöre nicht zurWashingtoner politischen Elite“, sagt sie.

Nur weil sie Außenseiterinsei, sei sie ins Visier der Medienkritik geraten. „Ich habe wichtigeNachrichten für all diese Reporter und Kommentatoren: Ich will nichtnach Washington gehen, um deren Lob zu bekommen, sondern ich will nachWashington, um den Menschen dieses Landes zu dienen.“ Die muntereBotschaft kommt an: „Sie haucht der Partei neues Leben ein“, freut sichetwa die Delegierte Pam Gray aus Pennsylvania.

Palin hat wohl ihre turbulenteste Woche hinter sich. Täglich erschienenneue Berichte, die ein zweifelhaftes Licht auf sie werfen. Zunächst warzu erfahren, dass die 17-jährige Tochter der streng konservativenGouverneurin unverheiratet schwanger geworden ist. In ihrem Heimatstaatgeht ein Untersuchungsausschuss dem Verdacht des Amtsmissbrauchs nach,weil Palin aus familiären Gründen einen Polizeichef gefeuert habensoll.

Und ihr Mann gehörte früher einer Splitterpartei an, die AlaskasUnabhängigkeit forderte. „Eine Seifenoper aus der Wildnis von Alaska“,spottete die Kolumnistin Maureen Dowd von der „New York Times“.
Palin räumt in ihrer Rede „Höhen und Tiefen in der Familie“ ein, setztansonsten aber auf Angriff gegen Medien und politische Gegner.

DiePartei stellt sich schützend um sie. „Die Elite-Medien haben für einesgesorgt: die Geschlossenheit der Republikaner“, sagt Ex-Kandidat MikeHuckabee, einer der Wortführer der Konservativen. Die Delegierten sindsich in dem Urteil einig: Den ersten Test hat Palin bestanden. Diegrößten Hürden stehen freilich noch vor ihr: Seit ihrer Benennung hatPalin noch kein einziges Interview gegeben. Dies wird sich ändern. Siemuss sich auf kritische Fragen gefasst machen.

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