Skispringen Warum Wunderkind Prevc der große Tournee-Favorit ist

Immer wieder fliegen beim Skispringen 16-, 17-Jährige den anderen davon, im Moment Revolutionär Domen Prevc

Der Slowene Domen Prevc gilt als Wunderkind des Skisprung-Zirkus.

Der Slowene Domen Prevc gilt als Wunderkind des Skisprung-Zirkus.

Foto: dpa

Düsseldorf. Immer wieder gerät das Skisprung-Universum aus den Fugen, aus dem Gleichgewicht — weil irgendein junger Hüpfer daher kommt, mit seinen Langstreckenflügen die Gesetze seines Sports verändert und sie alle mitreißt. Wie im Moment Domen Prevc. Doch der 17 Jahre alte Slowene, der am Donnerstag in Oberstdorf bei der Qualifikation für das Auftaktspringen als großer Favorit in die Vierschanzentournee startet, ist kein gutes Vorbild. „Der springt Ski, wie Max Verstappen Formel 1 fährt“, sagt Werner Schuster, der Bundestrainer der deutschen Skispringer. „Er kann Dinge machen, die wir den anderen Sportlern eigentlich abgewöhnen müssen.“ Weil es sich mit Domen Prevc verhält wie bei allen anderen Revolutionären auch: Er bewegt sich zwischen Genie und Wahnsinn.

Warum gibt es gerade beim Skispringen immer wieder diese Wunderkinder? „Technik und Material sind beim Skispringen ziemlich verzahnt“, beginnt Werner Schuster seinen Lösungsansatz. „Wenn sich die Voraussetzungen wieder einmal ein bisschen ändern — es gibt immer wieder Entwicklungen mit Bindungen, Stäben, irgendwo — dann kann man vielleicht auch ein bisschen anders Skispringen. Und gerade die jungen Leute finden instinktiv eigene Lösungen.“

Die Lösung Prevc 2.0 ist revolutionär. Weil der viermalige Saisonsieger und Führende im Gesamtweltcup ein Schlangenmensch ist, hyperbeweglich, vor allem im Sprunggelenk — er steht auf den Knöcheln und findet das auch noch bequem. „Er ist der Einzige im Moment, der die Ski flach halten kann — und nah am Körper“, beschreibt Schuster das XXL-Luftpolster des Luftikusses vom SK Triglav Kranj.

Es hat immer wieder Triebfedern für größere, weitere Sprünge gegeben. Zum Beispiel Gregor Schlierenzauer. Der junge Österreicher war der Erste, der aufgrund seiner Beinstellung die Ski flacher halten konnte — damit geht es weiter. Werner Schuster führt den jungen Toni Nieminen als Paradebeispiel an: „Da kam der V-Stil. Er hat ihn auf eine andere Stufe gebracht. Weil ein junger Athlet viel schneller lernt als ein älterer.“ Und da ist die jugendliche Leichtigkeit des Seins, junge Hüpfer kennen keine Grenzen.

Domen Prevc springt wie kein anderer mit dem Kopf zwischen den Skiern. Und gedankenlos zwischen den Ohren. Schuster: „Er hat keine Familie, höchstens eine Mama, die sich Sorgen macht.“ Der Protagonist sagt: „Respekt muss man haben und auch ein bisschen Angst. Wenn man aber Angst hat und nachdenkt, springt man nicht gut.“ Domen Prevc denkt nicht nach, will „einfach nur Skispringen“, wie der junge Wilde in den vergangenen Wochen immer wieder betont hat.

Der slowenische Cheftrainer Goran Janus denkt viel nach. Und hat schon viel gesehen. Er hat vergangenes Jahr am Sprungturm gesagt: „Immer wenn Domen springt, drehe ich mich um.“ Weil er so viel Angst um ihn hat. Janus’ deutscher Kollege Werner Schuster bleibt bei der Formel 1 als Vergleich, sagt: „So kannst du nur Skispringen, wenn du noch nie mit 250 gegen die Mauer gefahren bist.“

Andreas Wellinger sei einst mit der gleichen Leichtigkeit wie Prevc in den Weltcup geflogen. „Aber er ist schon einmal gegen die Mauer gefahren.“ Und müsse sich jetzt überlegen, was er tue.

Der Österreicher Andreas Kofler ist kein jünger Hüpfer mehr, sondern mit 32 Jahren ein alter Hase. Zum Thema jugendlicher Leichtsinn sagt der Tourneesieger von 2010: „Ich weiß gar nicht mehr, wie das bei mir früher war. Ich bin froh, dass ich gewisse Jahre schon hinter mir habe.“

Ja, man mache sich im Alter mehr Gedanken. Ein für ihn sehr zentraler Gedanke: „Ich wäre froh, wenn ich aus dem ganzen Zirkus gesund ausscheide.“ Was er denkt, wenn er Domen Prevc fliegen sieht: „Man weiß natürlich nie, wie das ausgeht.“

Die Sache ist ganz einfach. Domen Prevc ist derzeit das Leitbild und für die ganz jungen Hüpfer vor dem Fernseher das große Vorbild. „Er ist im Moment der Beste, da schaut man natürlich drauf“, sagt auch der Österreicher Stefan Kraft. Der 23-jährige Tourneesieger von 2015 fügt aber auch anerkennend an: „Cooler Style.“

Aber bitte liebe Kinder zu Hause vor den Bildschirmen: nicht nachmachen! Denn bei Wunderkind Domen Prevc ist es so: Es ist ein Wunder, dass er noch keine Bruchlandung hingelegt hat.

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