Wahlkampf extrem - Schenk-Kritik an Amtsinhaber McQuaid

Berlin (dpa) - Seit Monaten tobt im Welt-Radsportverband ein Wahlkampf der besonderen Art. Pat McQuaid gegen Brian Cookson und umgekehrt. Beide wollen am 27. September in Florenz den Chefsessel der UCI.

Dafür scheinen viele Mittel recht: Beschimpfungen, Verleumdungen, Indiskretionen und mutmaßliche Rechtsbeugungen. Beide wollen angeblich dasselbe: der schwer angeschlagenen Branche wieder Glaubwürdigkeit verleihen und ein vertrauenswürdiges Doping-Kontrollsystem installieren.

„Wenn es ein ordentliches Verfahren gibt, gewinnt Cookson, weil McQuaid gar kein Kandidat ist“, sagte Sylvia Schenk, in den Jahren 2001 bis 2004 Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) und bereits 2005 als UCI-Direktionsmitglied bei der Wahl zu seiner ersten Amtsperiode auf Kollisionskurs zu McQuaid.

Vor der eigentlichen Wahl muss der UCI-Kongress entscheiden, ob McQuaid durch eine Regelumgehung - er will sich von den Verbänden Marokkos und Thailands vorschlagen lassen - überhaupt zugelassen werden darf. Sein Heimatverband Irland und Swiss Cycling hatten dem amtierenden UCI-Chef, der auch im Besitz der Schweizer Lizenz ist, die Gefolgschaft versagt.

Für Rechtsanwältin Schenk ist eine solche Vorgehensweise mit dem deutschen Vereinsrecht nicht vereinbar. Zudem sei „es schlechter Stil, wenn in ein bereits angelaufenes Wahlverfahren auf solche Art eingegriffen wird, noch dazu nicht von einem Außenseiter-Kandidaten, sondern zugunsten des amtierenden Präsidenten“. Sie vermutet: „Wenn dies so durchgeht, steht die UCI völlig blamiert da.“ McQuaid könnte sich nach einem solchen „Pyrrhussieg nicht mehr lange halten“.

Für den umstrittenen Iren, der mit seinem Vorgänger Hein Verbruggen angeblich in das Betrugssystem des überführten Dopers Lance Armstrong verstrickt gewesen sein soll, sehen die Chancen aber auch aus anderen Gründen nicht mehr so rosig aus.

Bei einer Sitzung der Europäischen Radsport-Union (UEC) stimmten 27 der 41 Delegierten dafür, den Herausforderer zu unterstützen. Die UEC gab ihren Wahlmännern die Empfehlung, in der geheimen Abstimmung für Cookson zu votieren. Insgesamt gibt es bei der UCI-Wahl 42 stimmberechtigte Delegierte. Europa hält 14 Stimmen, Asien und Amerika neun, Afrika sieben und Ozeanien drei. Cookson gibt sich optimistisch, er rechne mit seiner Wahl und einer Stimmenzahl „von weit über 20“.

Allerdings warnt Schenk: „Nach meinen Informationen stehen Asien und Südamerika, wahrscheinlich auch Afrika, zu McQuaid.“ Wie es hinter den Kulissen im Dachverband zugeht, merkte sie 2005: „Die UCI hat McQuaid unter dem damaligen Präsidenten Verbruggen sieben Monate vor der Wahl in die Schweiz geholt, ihm Umzug, Französisch-Unterricht, ein Auto, eine Wohnung finanziert und eine monatliche Geldsumme zur Verfügung gestellt.“

Die frühere Vorsitzende von Transparency International und auch manch anderer trauen dem britischen Verbands-Präsidenten, der laut McQuaid eine Marionette des russischen „Radsport-Paten“ und Gas-Milliardärs Igor Makarow sein soll, wirklichen Reformwillen zu: „Cookson wäre ein Signal für den Aufbruch.“ Der Kandidat stellte jetzt sogar Lance Armstrong die Reduzierung seiner lebenslangen Sperre in Aussicht, wenn er sich umfänglich offenbart und dabei vielleicht auch über mögliche Verstrickungen mit der UCI-Verbandspitze berichtet.

Der 62 Jahre alte Brite findet nichts dabei, dass Makarow als Hauptsponsor des mit Wladimir Putins Hilfe 2009 gegründeten Radteams Katusha auch für dessen schlechten Leumund Verantwortung trägt: „In jedem olympischen Sport gibt es inzwischen einen Makarow. Oligarchen nehmen sich des Sports an, mit einem wie ihm muss man klarkommen.“

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