Bayern gelingt „Comeback des Jahres“

London (dpa) - Der Fußball-Gott war in Wembley mit den Bayern, der Wetter-Gott bei der Heimkehr nach München nicht: Bei heftigem Regen und Wind brachten die müden Champions-League-Helden angeführt von Trainer Jupp Heynckes und Kapitän Philipp Lahm den Henkelpott nach zwölf Jahren wieder „hoam“.

19 Stunden nach dem 2:1-Triumph im packenden Wembley-Finale gegen Borussia Dortmund und einer langen Party-Nacht landeten Europas Fußball-Könige leicht verspätet um 17.30 Uhr mit einem Airbus A380 auf dem Münchner Flughafen. Auf der Gangway trotzten die luftig gekleideten Akteure, von denen viele dunkle T-Shirts mit dem Schriftzug „Mia san Champions“ trugen, kurz für ein paar Bilder dem Schmuddelwetter. Dann hasteten sie rasch in den Mannschaftsbus.

„Alles war ausgelassen“, berichtete Thomas Müller über die zurückliegende Feiernacht bis zum Morgengrauen, „aber jetzt ist das Wetter scheiße.“ Franck Ribéry nahm den silbernen Pokal zum kurzen Schläfchen mit ins Bett, wie er auf dem Rollfeld verriet. Einen großen Empfang mit Fans hatte die Sportliche Leitung um Heynckes wegen des noch ausstehenden Pokalendspiels gegen den VfB Stuttgart gestrichen - zumindest wegen des Wetters keine falsche Maßnahme.

Auf der Siegerbühne des Bankett-Saales im „Grosvenor House“ hatte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge seinen Champions keinerlei Limit beim Alkoholkonsum gesetzt. „Wir haben in sechs Tagen wieder ein Finale, aber ich glaube, mit 1,8 Promille haben wir trotzdem eine Chance.“ Nach den Jubelarien mit ihren 25 000 Fans im Stadion und der großen Club-Party mit 1800 geladenen Gästen im „Grosvenor House“ feierten Last-Minute-Torschütze Arjen Robben und seine Kollegen noch intensiv im internen Kreis. Im Glücksrausch kündigte Robben einfach mal Feierlichkeiten über „zwei, drei Tage“ an.

Der 2:1 (0:0)-Kraftakt gegen den nationalen Erzrivalen BVB ließ „alle Dämme brechen“, wie Heynckes berichtete. Der scheidende Trainer steht mit seinen Jungs vor der Krönung - das historische Triple winkt. Erleichterung war nach dem wichtigsten Sieg des Jahres besonders bei den Kapitänen Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger spürbar. „Wenn man eine goldene Generation werden will, muss man einen internationalen Titel gewinnen“, sagte Lahm. Gegen Stuttgart soll nun der große Schlusspunkt gesetzt werden. „Wir wollen das Triple“, verkündete Lahm. Der Titelhunger ist noch nicht gestillt.

Im ersten deutschen Königsklassen-Finale wurden die Bayern in London für alles entschädigt, was sie in den verlorenen Endspielen 2010 gegen Inter Mailand und beim Elfmeter-Drama „dahoam“ gegen den FC Chelsea durchleiden mussten. „Was wir heute erlebt haben, war das Sport-Comeback des Jahres“, schwärmte Rummenigge in seiner Rede: „Was ist das für ein Club, was ist das für eine Qualität, was ist das für ein Stolz, den dieses Bayern München darstellt im Moment.“

Viele hätten vor zwölf Monaten gedacht, „dass wir zusammenbrechen, in eine Schockstarre fallen und aufhören“. Nun stehen die Bayern als die neue Fußball-Macht in Europa da. „Eine neue Ära“ im europäischen Vereinsfußball könnte Heynckes eingeleitet haben. „Pep Guardiola übernimmt eine perfekt funktionierende Mannschaft“, bemerkte er.

Der Satz erinnerte an Franz Beckenbauer, der nach dem WM-Triumph mit der deutschen Nationalmannschaft 1990 in Italien an Berti Vogts ebenfalls eine Mannschaft übergab, die er „auf Jahre hinaus“ für unschlagbar erklärte. Heynckes erwähnte im Glücksrausch auch noch, dass neben dem feststehenden Zugang Mario Götze als zweiter BVB-Star auch Robert Lewandowski „nicht mehr lange auf sich wartenlassen“ würde. Der Pole könnte wie 37-Millionen-Mann Götze für viel Geld schon im Sommer oder 2014 ablösefrei nach München kommen.

Als Champions-League-Sieger kommen sie nicht, weil Robben einer starken Borussia in der 89. Spielminute den K.o. versetzte. Auch das passte perfekt ins Bild vom „Comeback des Jahres“, denn der Holländer hatte 2012 einen gehörigen Anteil an den verpassten Zielen. Statt Pfiffen gab es in London herzerwärmende „Arjen-Robben“-Rufe der Fans. „Heute hat es geklappt - da kann man das andere vergessen“, meinte der 29-Jährige. Lahm, Schweinsteiger, Robben, Ribéry haben endlich „das Höchste erreicht“, wie der Siegtorschütze betonte. „Die Zeit wäre ihnen weggelaufen“, stellte Heynckes fest.

„Der Druck war enorm hoch“, gestand Lahm. Nationaltorhüter Manuel Neuer musste sein schlecht startendes Team vor einem Rückstand bewahren. Auch nach dem 1:0 durch Mario Mandzukic (60.), das Robben vorbereitete, kam der BVB durch einen Foulelfmeter von Ilkay Gündogan zurück (68.). „Nach dem 1:1 ist mir der Arsch auf Grundeis gegangen“, gab Neuer zu. Bis Robben, der in der ersten Hälfte noch zweimal an Roman Weidenfeller gescheitert war, entschlossen zuschlug.

Rührselig ging es zu, als Schweinsteiger dem von seiner Steueraffäre geplagten Präsidenten Uli Hoeneß auf der Tribüne den Pokal in die Hände drückte und dieser ihn unter frenetischen „Uli“-Rufen der Fans gerührt, aber dezent in die Höhe hob. „Das ist nicht mein Titel“, sagte der Vereinspatron.

Es war eine Fußball-Nacht mit großen Gesten und Emotionen. „Meine Frau hat zu mir gesagt, ich habe die Spieler umarmt wie meine eigenen Söhne“, erzählte Rummenigge gerührt auf der Showbühne und gestand: „Mir treibt's gerade ein bisschen die Tränen in die Augen.“

Nun steht noch der letzte Akt mit Heynckes aus, der sich schon ein Denkmal in München gesetzt hat. „Unser Weg ist noch nicht zu Ende“, mahnte der Trainer mitten in den Jubel um ihn herum: „Wir wollen in Berlin das Pokalendspiel gewinnen.“ Aber gegen Stuttgart sollte es ja auch mit knapp zwei Promille reichen, wie Rummenigge scherzte.

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