Kanada 2015 Die "Matildas" können Weltmeister Japan rauskicken

Der australischen Frauen-Nationalmannschaft wird gegen Weltmeister Japan die nächste Überraschung zugetraut. Zwei Aborigines gehören die Schlagzeilen.

Kanada 2015: Die "Matildas" können Weltmeister Japan rauskicken
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Montréal/Edmonton. Extreme Temperaturen ist der gemeine Bewohner vom Fünften Kontinent ja gewöhnt. Und so tobt seit Tagen die Debatte, ob nicht schon allein die äußeren Bedingungen für die nächste große Überraschung dieser Frauen-WM sprechen: Rund 31 Grad sind für den heutigen Samstag in Edmonton angekündigt und in der offenen Betonschüssel des Commonwealth Stadium ist weit und breit kein Platz im Schatten zu finden. Die ideale Ausgangslage für die australische Frauen-Nationalmannschaft, um im Viertelfinale den Weltmeister Japan (14 Uhr Ortszeit/22 Uhr MESZ/live ARD) aus dem Turnier zu katapultieren?

„Das Wetter wird kein Vorteil sein“, versichert Australiens Nationaltrainer Alen Stajcic und erinnert sogleich daran, dass der Titelverteidiger doch erst im vergangenen Jahr das Finale um den Asien-Cup gegen sein Team in Vietnam gewonnen habe. „Damals hatten sie die Verlängerung des Halbfinals gegen China weggesteckt und sind bei 36, 37 Grad bis zur letzten Minute gelaufen.“ Das mag ja sein, doch Stajcic kommt nicht darum umhin, dass ihm mittlerweile noch viel mehr zugetraut wird, als nur Brasilien mit der fünffachen Weltfußballerin Marta zu eliminieren.

Bundestrainerin Silvia Neid hat schon vor der WM immer die „Matildas“ genannt, wenn es um ihre Geheimfavoriten bei dieser siebten Frauen-WM ging. Und wer den Trainer Colin Bell vom Champions-League-Sieger 1. FFC Frankfurt fragt, der bekommt vom gebürtigen Engländer zu hören: „Ein guter Trainer, ein gutes Team, das sich sehr lange auf dieses Turnier vorbereitet hat. Und im Gegensatz zu den Mannschaften der USA oder Kanada sind sie noch sehr jung.“

Tatsächlich sind in Australien die Zeichen der Zeit längst erkannt worden — zumindest wenn es um eine nachhaltige Förderung des Frauen- und Mädchenfußballs angeht. Die gerade vom 1. FFC Frankfurt verpflichtete Spielmacherin Gary van Egmond spielte bereits als 17-Jährige bei der WM 2011 in Deutschland mit. Die Schlagzeilen in Kanada aber gehören anderen: Allen voran der dreifachen Torschützin Kyah Simon und Torhüterin Lydia Williams müssen derzeit immer wieder ihre Geschichte erzählen, weil sie so viele Klischees bedienen.

Simon stammt aus einer fußballbegeisterten Familie, die in den Outbacks aufwuchs. Die Stürmerin ist die erste Ureinwohnerin, die für in Land ein Länderspieltor erzielte und im preisgekrönten Dokumentarfilm „No Apologies“ ist ihr WM-Debüt damals in Deutschland ein zentrales Thema gewesen. „Was ich hier erlebe, übersteigt meine kühnsten Träume“, sagt die für den FC Sydney spielende Simon, die nach Torerfolgen gerne direkt auf jenen Tribünenteil zeigt, in dem ihre Eltern mit einer Fahne sitzen. Ihre Zielstrebigkeit und Entschlossenheit gilt als beispielhaft — die seit Donnerstag 24-Jährige ist längst mehr als nur eine Sympathieträgerin.

Williams wiederum ist die Tochter eines Aborigines und einer Amerikanerin, die bei den Western New York Flash in der nordamerikanischen Profiliga (NWSL) spielte. Die Torfrau hat ihre unbeschwerte Kindheit 600 Kilometer von Perth entfernt in eine der entlegensten Regionen Australiens verbracht und oft mit Kängurus gespielt, wenn ihr langweilig wurde. „Mein Dad war ein Stammesführer und besuchte isolierte Gemeinden, um Religion zu lehren. Ich habe gelernt, wie man sich aus der Natur ernährt und überlegt. Manchmal waren wir mehrere Tage am Stück unterwegs.“ Die 27-Jährige musste lange warten, um sich den Stammplatz unter der Latte zu erkämpfen.

Endgültig rührig wie es bei Simon und Williams gerade deshalb, weil beide im Vorfeld jeweils einen Kreuzbandriss erlitten und ihre WM-Nominierung lange auf der Kippe stand. Nun nimmt Headcoach Stajcic eben ihre Leidensfähigkeit, ihren Behauptungswillen, um die besondere Mentalität seiner Mannschaft herauszustellen. „Wir sind noch ein viel besseres Team geworden als im vergangenen Jahr“, glaubt der 41-Jährige, „wir wollen unsere Heimat jetzt endgültig begeistern.“ Denn noch sind diesbezüglich in Down Under dicke Bretter zu bohren. Der Sender SBS übertrug den Achtelfinal-Coup gegen Brasilien (1:0) zwar live, aber lediglich 89.000 Fernsehzuschauer schalteten zu. Allerdings war die Übertragungszeit auch ein weiteres Extrem: Australischer Zeit nachts um 2.30 Uhr.

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