Wahlkampf in Schleswig-Holstein: Viel Personenkult — wenig Programm

Beim Wahlkampf in Schleswig-Holstein dreht sich fast alles um vier Männer. Das Ergebnis am 6. Mai hat Einfluss auf NRW.

Kiel. Die Wahl in Schleswig-Holstein kam zwar nicht so überraschend wie die im Saarland und in NRW. Doch in Kiel ist die schwarz-gelbe Regierung bereits nach zweieinhalb Jahren am Ende.

Dafür hat ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gesorgt, das die Regelung bei Überhangmandaten, die die CDU mit elf zusätzlichen Sitzen begünstigte, speziell fand und eine Neuregelung verlangte.

Deshalb wird am 6. Mai gewählt. Das politische Düsseldorf blickt gebannt nach Kiel, weil es sich aus dem Votum der 2,2 Millionen Wahlberechtigten einen Fingerzeig für die NRW-Wahl am 13. Mai erhofft.

Auf diesen Fingerzeig achtet besonders die FDP, die 2009 noch mit fast 15 Prozent drittstärkste Kraft war. Diesmal ist es fraglich, ob das Team um den erfahrenen und stets polarisierenden Wolfgang Kubicki überhaupt den Sprung über die fünf Prozent schafft. Klappt es in Kiel mit dem Wiedereinzug, wird das auch der FDP in NRW Rückenwind geben.

Sogar Kubicki gibt sich relativ zurückhaltend. Im Gespräch räumt er ein, noch nie so ein langes Tief der FDP erlebt zu haben. Öffentlich wirkt er kraftvoller, verblüfft auf Plakaten mit der frechen, doppeldeutigen Aussage: „Wählen Sie doch, was Sie wollen.“

Wenn es die FDP ins Parlament schafft, will Kubicki als Finanzminister ins Kabinett. Mit der CDU wird es wohl nicht mehr reichen, deshalb träumt er von Jamaika, also Schwarz-Gelb mit den in Kiel sehr pragmatischen Grünen. Ein Konsens ist da denkbar, zum Beispiel bei der Energiepolitik ist man sich längst einig.

Bei Jamaika sowieso und eventuell auch bei einer großen Koalition fiele Jost de Jager, dem CDU-Wirtschaftsminister, die Führungsrolle zu. Er ist nur eine Notbesetzung. Denn nachdem Ministerpräsident Peter Harry Carstensen 2010 beschloss, nicht mehr anzutreten, hatte die CDU Christian von Boetticher nominiert, der später über seine Liebe zu einer 16-Jährigen stolperte.

Wegen dieser Nachrücker-Rolle hat es de Jager schwer im Wahlkampf. Er tritt unspektakulär, aber selbstbewusst auf. Er meint, so einer wie er, der statt Show Solidität liebt, sei noch vor fünf Jahren als Spitzenkandidat nicht denkbar gewesen. Sein Wunschpartner für eine Koalition scheinen die Grünen zu sein.

Bei den Grünen geht indes die Angst vor den Piraten um. In Umfragen hat die Öko-Partei nach einem Höhenflug extrem verloren, dürfte aber über zehn Prozent kommen. Ihr Spitzenmann, der Schriftsteller Robert Habeck, ist in seiner zurückhaltenden Art ein Kontrast zu den offensiven Mitbewerbern. Er legt Wert auf Schlüsselthemen wie Bildung, Energie und Bürgerbeteiligung — und beklagt die inhaltliche Leere bei CDU und SPD.

Was er damit meint, wird vor allem bei Torsten Albig von der SPD klar. Dem bisherigen Kieler Oberbürgermeister und Ex-Lafontaine-Vertrauten gelingt es, mit seiner fast präsidialen Art zu punkten.

Ob beim Krötensammeln oder Wattwandern, er sucht Kontakt zu den Bürgern und die Selbstdarstellung. So scheint er auf Wahlkampf-Hilfe durch Berliner Politik-Prominenz eher zurückhaltend zu reagieren. Angeblich mag er es nicht, wenn er im Schatten anderer steht.

Wie sich die Regierung zusammensetzt, hängt außer vom Abschneiden der personell wenig profilierten Piraten von einer Besonderheit ab: Die Partei der dänischen Minderheit (SSW) unterliegt nicht der Fünf-Prozent-Klausel und gilt als links. Sie könnte bei knappen Mehrheitsverhältnissen den Ausschlag zugunsten von Rot-Grün geben.

Klar scheint nur eines: In der Woche nach der Wahl wird es keine offiziellen Koalitionsverhandlungen geben. Die Gefahr, damit den Wahlkampf in NRW zu beeinflussen, wäre zu groß.

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