Renten-Vorstoß soll Streit um Betreuungsgeld schlichten

Berlin/München (dpa) - Im festgefahrenen Koalitionsstreit um das Betreuungsgeld sucht die Union nach einem Ausweg über zusätzliche Rentenleistungen für Eltern.

Bundestagsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte am Montag: „Wir wollen, dass Frauen, die Kinder vor 1992 geboren haben, dafür auch mehr Rentenversicherungszeiten anerkannt bekommen.“ Die CSU, die gegen Widerstände in CDU und FDP auf dem Betreuungsgeld für Kleinkinder beharrt, signalisierte Zustimmung. Die FDP und der Unions-Wirtschaftsflügel reagierten dagegen ablehnend. Wie das milliardenteure Vorhaben zu finanzieren wäre, ist unklar.

Kanzlerin Angela Merkel machte den Kritikern auch in den Reihen der CDU nochmals klar, dass sie am Betreuungsgeld festhält. „Das Betreuungsgeld wird im Sommer 2013 kommen“, sagte sie dem Bielefelder „Westfalen-Blatt“ (Dienstag). Merkel warnte davor, Eltern unter einen Generalverdacht stellen. „Die allermeisten Eltern, unabhängig vom Einkommen, entscheiden verantwortungsbewusst, was für ihre Kinder richtig und wichtig ist.“

Kauder sagte der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag), zusätzlich zu dem von der Koalition beschlossenen Betreuungsgeld solle es einen neuen Rentenanspruch geben. Bisher sind Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, in der Rente schlechter gestellt als Eltern jüngerer Kinder. Die Frauen-Union, die eine Verbesserung seit langem fordert, begrüßte den Vorstoß. „Wir wollen die Gerechtigkeitslücke für Mütter in der Rente weiter schließen“, sagte die Vorsitzende Maria Böhmer.

Anders als beim Betreuungsgeld käme ein höherer Rentenanspruch auch Eltern zugute, die ihr Kind in eine Krippe geben. Eine solche Regelung würde - wenn sie in einiger Zeit volle Wirkung entfaltet - nach Expertenschätzung bis zu sieben Milliarden Euro zusätzlich kosten. Aufbringen müsste diesen Betrag wohl der Bund.

In der Rentenversicherung werden Eltern bisher unterschiedlich viele „Entgeltpunkte“ angerechnet. Für Kinder, die nach 1. Januar 1992 geboren sind, gibt es drei Punkte, für ältere einen Punkt. Von den im Arbeitsleben erreichten Punkten hängt die Höhe der Rente ab, wie die Zeitung schreibt. Ein Punkt ist derzeit im Westen 27,47 Euro wert, in den neuen Ländern 24,37 Euro. Die monatliche Rente für die Erziehung eines vor 1992 geborenen Kindes würde bei Angleichung an die Regelungen für jüngere Kinder also um etwa fünfzig Euro steigen.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte: „Die CSU hat immer schon eine Besserstellung der Erziehungszeiten in der Rente befürwortet.“ Dies stehe auch „nicht in Widerspruch zum Betreuungsgeld, sondern beides ist richtig und notwendig“. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, nannte eine Besserstellung von Eltern älterer Kinder im Deutschlandradio Kultur „äußerst wünschenswert“.

Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend. „Da ist gar nichts entschieden, da ist gar nichts beschlossen. Darüber wird gesprochen“, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. Diese Diskussion und das Betreuungsgeld seien „zwei völlig eigenständige, unabhängige Dinge“. Familien- und Arbeitsministerium zeigten sich offen, betonten aber, die Finanzierung müsse gesichert sein.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte dagegen: „Das ist ja nicht vereinbart, on top (oben drauf)“. Im Koalitionsvertrag sei die stufenweise Einführung und Auszahlung des Betreuungsgelds vereinbart - aber „keine Eingriffe in die Rentenstruktur“, betonte Brüderle.

Die Koalitionsspitzen hatten im November beschlossen, Eltern, die ihre ein- und zweijährigen Kinder in Eigenregie betreuen, ab 2013 ein monatliches Betreuungsgeld zu zahlen - erst 100 Euro, dann 150 Euro.

SPD und Grüne bekräftigten ihren Widerstand gegen das Betreuungsgeld. Dies werde auch in den Wahlkämpfen in Schleswig- Holstein und Nordrhein-Westfalen eine Rolle spielen, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. „Wir werden prüfen, ob wir klagen können.“ Das Familienministerium betonte dagegen, der bis zur Sommerpause geplante Gesetzentwurf werde verfassungsfest sein. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, Kauders Kompromiss schaffe keinen Betreuungsplatz mehr.

Kritik übte auch die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU. „Hier wird zur Befriedung eines tagespolitischen Streits die künftige Generation zusätzlich zur Kasse gebeten“, sagte Bundes-Vize Jürgen Presser.

Ein Unionsfraktionssprecher wies dies zurück. Kauders Überlegung beziehe sich auf einen CDU-Parteitagsbeschluss vom vergangenen Jahr. Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Ingrid Sehrbrock, sagte dem „Hamburger Abendblatt“ (Dienstag), die Aufstockung der Rentenansprüche für Eltern könne „bestenfalls die Alternative zum Betreuungsgeld sein“.

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