Grüne hadern mit Flüchtlingsdeal der Union

Die Meinungen gehen in der Fraktion auseinander. Claudia Roth soll Bundestagsvize bleiben.

 Werden als Minister in einer möglichen Jamaika-Koalition gehandelt: die FraktionsvorsitzendenAnton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt.

Werden als Minister in einer möglichen Jamaika-Koalition gehandelt: die FraktionsvorsitzendenAnton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt.

Foto: Kay Nietfeld

Berlin. Wie umgehen mit dem jüngsten Deal unter den C-Parteien? Wer sich dazu gestern in der grünen Bundestagsfraktion umhörte, stieß auf eine zwiespältige Stimmung. Bei den ausgemachten Linken ist die Jamaika-Skepsis wegen der Unions-Festlegungen eher noch gestiegen. „Dass das zusammengeht, sehe ich noch lange nicht“, meinte etwa der Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler. „Leichter wird es dadurch auf keinen Fall“, befand auch der Finanzfachmann Gerhard Schick. Zuvor hatte der auch an den Jamaika-Sondierungen beteiligte Ex-Fraktionschef Jürgen Trittin den C-Parteien gar eine „Verleugnung urchristlicher Werte“ vorgeworfen.

Dagegen verfuhren die Realos nach der bekannten Devise, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. So meinte die bayerische Abgeordnete Margarete Bause: „Dass die CSU aufs Blech haut, ist man doch gewöhnt.“ Wichtig sei, was am Ende an grüner Handschrift im Koalitionsvertrag stehe. Und der amtierende Fraktionschef Anton Hofreiter war bemüht, die Fäden zusammenzuhalten: Man stehe vor schwierigen Gesprächen. Es gehe darum, „auszuloten, ob es möglich ist, eine stabile Regierung zu bilden“. Die Haltung der C-Parteien in der Flüchtlingsfrage habe er aber „nicht als rote Linie wahrgenommen“.

Die Union hatte sich nach langem Tauziehen auf eine Art Richtgröße verständigt. Demnach soll Deutschland maximal 200 000 Flüchtlinge pro Jahr aufnehmen. Um das zu erreichen, soll der Familiennachzug von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz ausgesetzt bleiben und die Liste der sicheren Herkunftsländer ausgeweitet werden. Genau damit tun sich die Grünen jedoch sehr schwer. Bereits im Mai 2016 hatte der Bundestag auch Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsländer eingestuft. Die entsprechende Vorlage war aber später im Bundesrat am Widerstand der Grünen gescheitert.

Der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer geht allerdings nicht davon aus, dass eine Koalitionsbildung von Union, FDP und Grünen wegen der Flüchtlingsproblematik scheitern könnte. „Die Flüchtlingsfrage ist nicht zentral für die grüne Identität, denn Werbung hat die Partei im Wahlkampf für Gerechtigkeit und Umwelt gemacht“, sagte Neugebauer unserer Redaktion.

Obgleich die Grünen bei der Bundestagswahl vier Sitze hinzugewonnen haben, stellen sie mit 67 Abgeordneten erneut die kleinste Fraktion im Parlament. Auf ihrer konstituierenden Sitzung wurde die bisherige Bundestagsvizepräsidenten Claudia Roth bei nur einer Nein-Stimme sowie einer Enthaltung erneut für dieses Amt nominiert. Roth hat den Posten seit Herbst 2013 inne. Die Wahl der Bundestagsspitze ist für den 24. Oktober geplant. Hofreiter und die Co--Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sollen ihre Posten behalten, bis Klarheit über eine schwarz-grün-gelbe Koalitionsbildung herrscht. Beide werden als Minister einer möglichen Jamaika-Koalition gehandelt. Das erste gemeinsame Sonderungsgespräch von Union, FDP und Grünen ist für den 20. Oktober angesetzt. Zuvor gibt es noch separate Beratungen zwischen den einzelnen Parteien.

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