Analyse Deshalb ist eine Corona-App viel komplizierter als gedacht

Berlin · Die geplante Tracing-App verzögert sich weiter. Um sie wird munter gestritten. Der Datenschutz ist das größte Problem.

 Die einen fordern mehr Tempo, die anderen kritisieren mangelnden Datenschutz. Die Corona-Warn-App lässt auf sich warten.

Die einen fordern mehr Tempo, die anderen kritisieren mangelnden Datenschutz. Die Corona-Warn-App lässt auf sich warten.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Der Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lars Schaad, meinte am Dienstag, um den Ausbruch des Corona-Virus zu vermindern, müssten bereits Betroffene und deren Kontakte gefunden und isoliert werden. Das sei das Prinzip im Kampf gegen die Pandemie, „und das wird sicherlich durch eine Tracing-App erleichtert werden.“ Wenn sie „auch erst ein paar Wochen später“ komme, so Schaad weiter. Das von Experten so gelobte Mittel gegen die Ausbreitung von Covid 19 lässt weiter auf sich warten.

Selbst Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) übt sich inzwischen in Zurückhaltung. „Die App darf nicht hackbar sein“, dämpfte er am Montag die Hoffnung darauf, dass sie bald einsatzfähig sein wird. Erst müsse beraten werden, wie das technisch zu gewährleisten sei. Wenige Tage zuvor hatte Spahn schon klar gestellt: „Damit‘s wirklich gut ist, braucht es halt eher noch drei bis vier Wochen als noch zwei Wochen.“ Demnach kann die Corona-Warn-App frühestens im Mai veröffentlicht werden. Insbesondere Datensicherheitsaspekte müssen noch durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und den Datenschutzbeauftragten geklärt werden.

Die Umsetzung ist somit komplizierter als gedacht. Vor allem behindert ein Streit um das Schutzkonzept für die Corona-Warn-App offenbar den Fortgang. Insgesamt drei technische Konzepte hat die Bundesregierung in der engeren Auswahl, das bisher favorisierte europäische Projekt PEPP-PT war zu Wochenbeginn von rund 300 Experten in einem offenen Brief kritisiert worden. Darin warnten sie vor der Gefahr von Überwachung und Missbrauch bei einer zentralisierten Speicherung von Daten.

Digitalverbände und Politik fordern mehr Tempo

Die Kritiker fordern, die Angaben dezentral auf den Smartphones abzulegen. Befürworter der zentralen Speicherung sehen indes beim dezentralen Ansatz als Nachteil, dass die vernetzten Handys ständig sensible Daten untereinander austauschen müssen. Auch namhafte Partner des Vorhabens waren zuletzt abgesprungen.

Der Streit der Experten stieß gestern auf Unverständnis bei den Digitalverbänden. Es sei wichtig, die Entwicklung der Anwendung „nicht durch langwierige akademische Debatten noch weiter hinauszuzögern“, so der Präsident des IT-Verbands Bitkom, Achim Berg. „Wir brauchen diese App jetzt und dürfen keine weitere Zeit verlieren.“ Aus der SPD hieß es, eine Corona-App könne nur erfolgreich sein, wenn sie das Vertrauen der Bürger habe. Das derzeitige Chaos setze aber die notwendige Akzeptanz leichtfertig aufs Spiel. „Damit droht die App zu scheitern, bevor sie überhaupt fertig entwickelt wurde“, so der digitalpolitisch Sprecher der SPD, Jens Zimmermann. Darüber hinaus, so FDP-Experte Konstantin Kuhle, würden Phantasien über eine Nutzung der Daten „etwa durch Sicherheitsbehörden“ den Erfolg des Projektes gefährden.

Die geplante App soll nach wie vor freiwillig verwendet werden. Sie wird nach der Veröffentlichung in Deutschland für das Google-Betriebssystem Android und das iPhone-Betriebssystem iOS von Apple erhältlich sein. Nutzen soll die App die moderne Variante der Funktechnik Bluetooth („Low Energy“), um anonymisiert zu erfassen, wem ein Nutzer in den vergangenen 14 Tagen begegnet ist. Branchenexperten fürchten jedoch, dass viele die Technik auf älteren Smartphones nicht verwenden können.

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