Bufdis statt Zivis: Die Wehrpflicht ist Geschichte

Berlin (dpa) - Zeitenwende für Bundeswehr und Wohlfahrtsverbände: Nach 55 Jahren ist die Wehrpflicht Geschichte - und damit auch der Zivildienst. Wehr- und Zivildienst wurden am Freitag von Freiwilligendiensten abgelöst.

Insgesamt haben sich dafür mehr als 30 000 junge Leute gemeldet, darunter sind 6400 Neuverpflichtungen zum 1. Juli. Die Bundesregierung zeigte sich zufrieden mit dem Start. Bundeswehrverband und Wohlfahrtsverbände monierten allerdings, dass der Übergang schlecht vorbereitet war.

Die Wehrpflicht wurde in der Bundesrepublik im Juli 1956 per Gesetz eingeführt. Die Aussetzung zum 1. Juli wurde Ende vergangenen Jahres vom damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in der schwarz-gelben Koalition durchgesetzt. Die Wehrpflicht bleibt aber im Grundgesetz verankert und kann mit einfacher Mehrheit in Bundestag und Bundesrat wieder eingeführt werden.

Der neue freiwillige Wehrdienst für Frauen und Männer dauert bis zu 23 Monate. Von den rund 3400 Freiwilligen, die im Juli ihren Dienst bei der Bundeswehr antreten, sind nur 44 weiblich. Das entspricht gut einem Prozent. Der Frauenanteil bei den Berufs- und Zeitsoldaten beträgt dagegen rund 9 Prozent, angestrebt sind sogar 15 Prozent.

Seit Jahresbeginn wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums insgesamt 13 916 Freiwillige für den neuen Wehrdienst angeworben, der deutlich besser vergütet ist als bisher. 5700 wurden allerdings noch aus den Wehrpflichtigen rekrutiert, die ihren Dienst über die bisher sechs Monate hinaus verlängerten. Am Montag werden die Freiwilligen in die Kasernen einrücken.

Die ersten 3000 Bufdis (Bundesfreiwilligendienstleistende) traten dagegen schon am Freitag ihren Dienst an. 14 300 der bisher 19 700 Zivildienstleistenden verlängerten zudem freiwillig ihre Dienstzeit. Das Familienministerium spricht von einem „reibungslosen Übergang“.

Während de Maizière sein Ziel von mindestens 5000 Freiwilligen bereits erreicht hat, hat Familienministerin Kristina Schröder (CDU) allerdings noch eine Wegstrecke vor sich. Sie will schon im nächsten Jahr die Zahl von 35 000 Bufdis (Bundesfreiwilligendienstleistende) erreichen.

Viele Wohlfahrtsverbände halten die Umstellung für überstürzt. Diakonie-Präsident Johannes Stockmeier beklagte „den unzureichenden Vorlauf von der Gesetzgebung bis zur Umsetzung“. Die Aussetzung der Wehrpflicht war erst im Februar vom Bundestag beschlossen worden.

Brigitte Döcker aus dem Bundesvorstand des Sozialverbands Awo sagte, die Freiwilligen seien keine verlässliche Basis, um das Pflegesystem zu stützen. Sie seien lediglich zusätzliche Kräfte. Verdi-Bundesvorstandsmitglied Ellen Paschke forderte eine Art Mindestlohn für die Bufdis. „Die dürfen nicht mit 2,50 Euro abgespeist werden.“ Das Taschengeld der Freiwilligen liegt laut Familienministerium bei höchstens 330 Euro im Monat. Hinzu kommen weitere Leistungen wie Unterkunft, Versorgung und Sozialversicherungsbeiträge.

Auch der Bundeswehrverbands-Vorsitzende Ulrich Kirsch hält die Aussetzung der Wehrpflicht für sehr schlecht vorbereitet. „Die Kreiswehrersatzämter waren zeitweise ohne Aufgabe. Das ist nicht sehr verantwortlich gewesen“, sagte Kirsch den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“ (Freitag). Bis heute gebe es für den neuen freiwilligen Wehrdienst kein überzeugendes Konzept.

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