Mesale Tolu aus türkischer Haft entlassen: "Ich habe acht schwierige Monate durchgemacht"

Die deutsche Journalistin Tolu ist aus türkischer Haft entlassen worden. Die Freilassung sei für sie überraschend gekommen.

 Die deutsche Journalistin Mesale Tolu in der Kanzlei ihrer Anwältin.

Die deutsche Journalistin Mesale Tolu in der Kanzlei ihrer Anwältin.

Foto: Lefteris Pitarakis

Istanbul. Die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu ist aus türkischer Haft entlassen worden. "Ich habe acht schwierige Monate durchgemacht", sagte sie am Montagabend der Nachrichtenagentur AFP in Istanbul. Gemeinsam mit Ehemann, Sohn und Vater verließ sie eine Polizeiwache, wie ein AFP-Reporter vom Ort des Geschehens berichtete. Dort war sie zunächst offenbar wegen juristischer Unklarheiten festgehalten worden. "Ich bin sehr glücklich, dass ich auf freiem Fuß bin", sagte sie im Büro ihres Anwalts. Die Freilassung sei für sie überraschend gekommen, weil sich in der Türkei "nicht immer das Recht durchsetzt". Ihre Behandlung durch die türkischen Behörden bezeichnete Tolu als "Skandal".

Tolu bedankte sich bei ihren Unterstützern. Nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis war sie zunächst in die Polizeiwache gebracht worden. "Es war wie eine Entführung", berichtete sie AFP. "Man hat mich von einer Polizeiwache auf die andere gebracht." Nach Informationen der Linken-Bundestagsabgeordneten und Prozessbeobachterin Heike Hänsel hatte es wohl zwei widersprüchliche Anweisungen gegeben: Neben dem gerichtlich verhängten Ausreiseverbot habe gleichzeitig auch eine Abschiebeanweisung nach Deutschland vorgelegen.

Am Abend teilte Hänsel im Kurzbotschaftendienst Twitter mit, nach ihren Informationen gelte nach den juristischen Unklarheiten nun das Ausreiseverbot. "Mesale Tolu ist nun endlich freigelassen und bei ihrer Familie. Was für ein unwürdiges Schauspiel!!!", kritisierte Hänsel.

Ein Gericht in Istanbul hatte am Mittag die Entlassung der 33-jährigen deutschen Staatsbürgerin mit türkischen Wurzeln aus der Untersuchungshaft angeordnet - allerdings nur unter Auflagen: Sie müsse sich wöchentlich bei den Behörden melden und dürfe das Land nicht verlassen.

Im Gefängnis Bakirköy war sie seit ihrer Festnahme in ihrer Istanbuler Wohnung Ende April inhaftiert - zeitweise zusammen mit ihrem kleinen Sohn. Auch fünf Mitangeklagte von Tolu kamen nach Angaben ihrer Anwälte unter Auflagen frei.

Tolu war in der Türkei als Journalistin und Übersetzerin für die linksgerichtete Nachrichtenagentur ETHA tätig. Sie muss sich wegen "Mitgliedschaft in einer Terrororganisation" und "Terrorpropaganda" verantworten. Die Neu-Ulmerin wird beschuldigt, der in der Türkei verbotenen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MKLP) anzugehören. Bei einer Verurteilung drohen ihr 15 Jahre Haft. Bereits zum Auftakt ihres Prozesses im Oktober hatte sie die gegen sie erhobenen Vorwürfe entschieden zurückgewiesen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete Tolus Freilassung als "eine einerseits gute Nachricht". Andererseits dürfe Tolu das Land nicht verlassen, und auch der Prozess werde weitergeführt. Deshalb sei es "keine komplett gute Nachricht".

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte: "Ich glaube, wir alle in Deutschland - und auch ich persönlich - freuen uns mit Mesale Tolu über die Entscheidung des Gerichts." Damit sei das Verfahren gegen sie zwar noch nicht beendet, "aber ein erster, großer Schritt ist damit gemacht".

In Haft in der Türkei befinden sich aus politischen Gründen neben Tolu noch acht Deutsche, darunter der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel. Im Oktober waren der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner sowie eine namentlich nicht bekannte Deutsche aus der Haft entlassen worden. Die Fälle belasten seit Monaten die deutsch-türkischen Beziehungen schwer. Der Prozess gegen Tolu wird am 26. April fortgesetzt. sae/ck AFP

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