Nadja Benaissa: Tränen beim Urteilsspruch

Nadja Benaissa muss nicht in Haft: Sie erhält zwei Jahre auf Bewährung und 300 Stunden gemeinnützige Arbeit.

Darmstadt. Amtsrichter Dennis Wacker nimmt sich für die Begründung seines Urteils viel Zeit. Ja, die No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa habe 2004 einen Liebhaber beim Sex mit dem Aids-Virus angesteckt, weil sie ihre HIV-Infektion verschwieg und kein Kondom benutzt wurde. Nein, die 28-Jährige müsse deshalb nicht ins Gefängnis. Das war zwar seit Mittwoch erwartet worden, ließ aber trotzdem aufhorchen. Denn gefährliche Körperverletzung kann mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden.

Zwei Jahre auf Bewährung und 300 Arbeitsstunden in einer Aids-Einrichtung reichen aus, wie der Richter meint. In dieser Strafe ist auch der Fall eines anderen Mannes enthalten, der sich nicht ansteckte. Ihr Geständnis und ihre Reue hätten die junge Mutter "gerettet".

Der Richter schildert am Ende des Prozesses den Weg einer Frau, "deren Lebenslauf viele Brüche hat". Benaissa gerät als Schülerin an falsche Freunde und an Drogen, sie wird als Teenager schwanger, steigt dann mit der Castingband No Angels plötzlich in den Pop-Himmel auf und schlittert immer wieder "in häufig wechselnde Beziehungen".

Mit Sex sei sie oft sorglos umgegangen, obwohl sie seit 1999 von ihrer HIV-Infektion und damit von der Ansteckungsgefahr für ihre Liebhaber wusste. Aber: "Es geht nicht um die Stigmatisierung von Menschen mit HIV", sagt Wacker. "Es geht um menschliches Versagen einer einzelnen Person." Und: "Es obliegt grundsätzlich beiden Partnern, sich zu schützen." Während der Richter spricht, kann die 28-Jährige ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Schützend hält sie ihre rechte Hand vors Gesicht.

Entscheidend für Wacker ist die Gegenwart. Nachdem Benaissa im April 2009 nach zehn Tagen U-Haft freikam, habe sie sich mit therapeutischer Hilfe intensiv mit sich und ihrem Lebenswandel befasst. Das habe Früchte getragen.

"Ich glaube, dass es ein angemessener Schuldausgleich ist", sagt Staatsanwalt Peter Liesenfeld nach dem Urteil. Die Deutsche Aids-Hilfe bedauerte die Verurteilung. "Von dem Urteil gehen die falschen Botschaften aus. Sie werden der HIV-Prävention und der Emanzipation von chronisch Kranken Schaden zufügen", teilte der Verein mit.

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