Urbanität made in Wuppertal

Nadine Hoegen hat vor fast einem Jahr ein Lifestyle-Geschäft auf dem Ölberg eröffnet. Für sie gibt es keinen besseren Ort dafür.

Urbanität made in Wuppertal
Foto: Andreas Fischer

Ölberg. Auf dem Ölberg gibt es seit fast einem Jahr ein Geschäft, das so gar nichts mit Standard zu tun hat. Dafür aber mit urbanem Lebensstil. Und genau deswegen kommt es bei den Ölbergern so gut an, vermutet Nadine Hoegen, die Inhaberin von Hoegens Urbanität an der Marienstraße. „Ich hätte in einer A-Lage sicher weniger Erfolg mit meinem Konzept gehabt“, sagt sie. Das klingt zunächst paradox. Auf eine Innenstadt-Lage freiwillig verzichten? Hoegen ist sich sicher: nirgendwo sonst würde ihr Geschäft so gut angenommen werden.

„Das liegt daran, dass die Ölberger und auch große Teile der Nordstadt unheimlich viel Interesse an Urbanem und Nachhaltigem haben“, ist sich die 42-jährige Unternehmerin sicher. „Und außerdem mögen sie die Ungezwungenheit hier.“ Damit meint sie: Im Einkaufstrubel der Innenstadt würde einiges verloren gehen. Vor allem die persönliche Verbindung. Ihre Kunden kennt Hoegen fast alle mit Namen, weiß genau, welches neue Produkt zu ihnen passt.

Der Umgang ist also eher freundschaftlich. Oft schlagen Kunden ihr auch neue Produkte fürs Sortiment vor. Die Fahrradsättel aus Leder der Marke Brooks schraubt Hoegen zum Test für ihre Kunden erst mal auf ein Fahrrad. Und dann wird vor der Kaufentscheidung eine ausgiebige Probefahrt gemacht. Die ausgefallenen Lampen — die sie unterdessen verkauft, weil die ursprünglich als Dekoration gedachten Exemplare so gut ankamen — gibt sie Kunden auch zu Testzwecken mit nach Hause. Dann erst könne man sehen, ob die Lampe zur Wohnung passt. „Das sieht dann ziemlich lustig aus, wie die Leute hier mit den großen Stehlampen in der Hand über den Ölberg spazieren“, findet Hoegen.

Ihr Geschäft lässt eine eigene, großstädtische Handschrift erkennen. Nackte, unverputzte Wände zu Holzboden in warmem Braunton. Auf der Empore des Loft-artigen Raumes steht ein riesiger Tisch mit Steinplatte, der Kasse, Theke und Verkaufsfläche zugleich ist. In den hölzernen Wandregalen liegen ausgefallene Fahrradklingeln, Satteltaschen und Rucksäcke und Schmuckstücke. Strass sucht man hier aber vergeblich.

Besonderen Wert legt Hoegen aber auf den Bereich Radfahren und ausgefallene Getränke. Prämisse: Fast alles, was sie verkauft, kommt aus Manufakturen. Massenware will sie nicht. „Die Leute kommen ja extra her, um etwas Außergewöhnliches zu bekommen.“ Und das ist zum Beispiel die englische Löwenzahn-Limonade. Die kauften die Ölberger besonders gerne. „Mein Lieferant aus Düsseldorf war ganz erstaunt, als ich mehrere Kisten von dieser Sorte gekauft habe. Hat gefragt, ob ich mir da sicher sei. In Düsseldorf läuft die nämlich nicht so gut“, sagt Nadine Hoegen. Das sei der Experimentierfreudigkeit ihrer Kunden zu schulden. Auch die Rosenlimonade sei ein Verkaufsschlager.

Dazu gibt es dann feine Gin-Sorten, auch davon hat Nadine Hoegen einige im Sortiment. Alle in besonderem Design und mit besonderer Geschichte, natürlich. Sehr beliebt seien auch die Sorten des Moonshine-Likörs, eines Weizenbrandes im Einmachglas. Ganz so, wie er in den USA während der Prohibition geschmuggelt wurde.

Vieles in Nadine Hoegens Geschäft dreht sich um das Außergewöhnliche. Aber auch Nachhaltigkeit ist ein großes Thema. „Deshalb ja auch der Fahrrad-Schwerpunkt. Ich selber fahre jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit, das machen auch viele andere hier im Viertel.“ Die Hüllen der Bio-Teebeutel, in denen sie einzeln verpackt sind, sind nicht etwa aus Plastik, sondern aus recyceltem Material. Gemeinsam mit einer Freundin fertigt Nadine Hoegen aus alten Zelten Sitzsäcke.

Trotz des modernen, urbanen Lebensgefühls, das Hoegen und ihr Geschäft ausstrahlen, sind ihre Kunden nicht zwangsläufig jung — auch ältere Kunden seien bereits auf den Geschmack gekommen, kaufen ihren Kaffee hier. Auch für Kunst ist Platz: An den Wänden und in Zukunft auch in einem weiteren, Raum können Künstler ihre Arbeiten umsonst ausstellen.

Nadine Hoegen ist in Wuppertal aufgewachsen. Fast 18 Jahre war sie in der Welt für die Mode unterwegs, jetzt hat sie den Weg nach Wuppertal zurückgefunden. Warum? „Ich halte viel von dieser Stadt. Und sie entwickelt sich immer mehr zum Positiven. Das finde ich spannend.“

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