Corona-Pandemie „Viele wünschen sich Teamgefühl und Sozialkontakte zurück“

Für viele Menschen bedeutet die Corona-Pandemie einen Aufschwung in Sachen mobiles Arbeiten.

 Arbeiten zu Hause: Corona fordert von vielen ein Umdenken.

Arbeiten zu Hause: Corona fordert von vielen ein Umdenken.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Die Zahl der Unternehmen, die ihren Mitarbeitern das mobile Arbeiten anbieten, ist durch Corona deutlich gestiegen.  Bei Bayer sind zum Beispiel aktuell, wie auch bereits im Frühjahr 2020, rund 12 000 Beschäftigte ins Homeoffice gewechselt. „Das entspricht etwa 40 Prozent der Belegschaft“, sagt Markus Siebenmorgen, verantwortlich für Personal und Soziales. Bei der Barmer konnten im März 2020 von 15 000 Beschäftigten rund 3000 umgehend ins Homeoffice wechseln. „In der Zwischenzeit konnten wir diese Zahl fast verdreifachen. Mittlerweile hat mehr als jeder Zweite diese Möglichkeit“, sagt Barmer-Sprecherin Sunna Gieseke.

Bei der Werbeagentur dr book aus Elberfeld ist Homeoffice von Beginn an etabliert. „Das haben wir nie anders gemacht, deshalb war es für uns keine sonderliche Umstellung“, sagt Geschäftsführer Florian Hugk. Zum Teil sind Unternehmen in puncto mobiles Arbeiten zuvor bereits gut aufgestellt gewesen, zum Teil musste nachgebessert werden – mit Hardware, Leitungen und Lizenzen.

„Die technischen Voraussetzungen müssen auf jeden Fall gegeben sein“, sagt Werner Mittelstädt, Leiter Personalsteuerung bei der Barmenia. Dort war Homeoffice schon 2016 Thema. „Wir mussten nur prüfen, ob alles funktioniert.“ Vor der Pandemie waren es um die 20 Prozent der Mitarbeiter, die das Arbeiten von zuhause aus nutzten – situativ bedingt. Anlässe waren beispielsweise ein Handwerkertermin oder die Kinderbetreuung. Derzeit sind es 90 Prozent der Beschäftigten.

Bestimmte Präsenztermine, die unter Berücksichtigung der Hygieneregeln stattfinden, seien nach wie vor erforderlich. Ein Arbeitsvertrag müsste etwa weiterhin schriftlich abgeschlossen werden. Gleiches gilt für andere Unternehmen, denn die Produktionsbetriebe und Forschungseinrichtungen von Bayer bleiben besetzt. Auch in den Geschäftsstellen werden Barmer-Kunden in dringenden Fällen noch persönliche Termine ermöglicht.

Jüngere Kollegen helfen den
älteren mit der Technik

„Man muss immer differenzieren, dass es im gewerblichen Bereich nicht geht. Es bezieht sich immer auf den Verwaltungsteil vom gesamten Unternehmen“, sagt Michael Wenge, Hauptgeschäftsführer der Bergischen IHK. Homeoffice sei nicht für alle Fachbereiche umsetzbar. „Es ist aus Sicht der Arbeitgeber immer ein tiefgründiger Abwägungsprozess zwischen unbedingtem Gesundheitsschutz für die Mitarbeiter und den betrieblichen Notwendigkeiten. Deshalb ist mir Freiwilligkeit wichtig. Ich halte überhaupt nichts vom Gesetz von Herrn Heil.“

Mobiles Arbeiten müsse auch bei Bayer nicht per Gesetz eingeführt werden, betont Markus Siebenmorgen von der Bayer AG. Es sei seit Langem ein fester Bestandteil der Arbeitskultur.

Für andere Unternehmen hingegen bedeuteten die Corona-Einschränkungen einen Aufschwung in Sachen mobiles Arbeiten. Zuvor war es in vielen Firmen nicht üblich. „Wir haben im März aber dann sehr schnell ganz viel Homeoffice angeboten“, sagt Vera Bökenbrink, Geschäftsführerin von Stahlwille. „Die Leute sind glücklich, wir sind glücklich“, resümiert sie. Teilweise wurden der Bildschirm oder der Arbeitsrechner mit nach Hause genommen, VPN-Leitungen eingerichtet und Tools wie Microsoft Teams installiert. „Da ist so viel Hilfsbereitschaft gewesen. Jüngere haben älteren Kollegen geholfen“, sagt Bökenbrink. „Es war notwendig. In Corona-Zeiten muss man viele neue Wege finden“, sagt sie. Wenn jemand im Homeoffice nicht zurechtkäme, bestehe immer die Möglichkeit, ins Büro zu gehen. „Man muss es nur koordinieren.“

„Das Thema Homeoffice hat einen Schub bekommen, überhaupt die Themen moderne Arbeitsformen und Digitalisierung. Da gehe ich schon davon aus, dass die Bergischen Unternehmer das in die Zeit nach Corona übernehmen“, sagt IHK-Geschäftsführer Michael Wenge. „Auch wenn die Mitarbeiter das jetzt nutzen, merkt man schon, dass man sich vermisst. Die Sozialkontakte, das Teamgefühl, das eine oder andere Meeting. Das hat natürlich einen ganz anderen Wert als das virtuelle. Ich glaube, diesen Wert wünschen sich viele wieder zurück.“

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