Ausstellung Ausstellung zeigt Leben im Lager

70 Zeichnungen von Maxime Bourrée sind im Rathaus zu sehen. Er war bis 1918 Gefangener.

Bürgermeisterin Ursula Schulz, Carola Flues, Heiner Flues und Esther Bourree (v.l.) bei der Ausstellungseröffnung im Rathaus.

Bürgermeisterin Ursula Schulz, Carola Flues, Heiner Flues und Esther Bourree (v.l.) bei der Ausstellungseröffnung im Rathaus.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Mit 22 wird Maxime Bourrée als französischer Soldat im Ersten Weltkrieg, im August 1914, verwundet. Er wird gefangengenommen und muss die Zeit bis zum Kriegsende, bis November 1918, in deutscher Gefangenschaft in Parchim, in Mecklenburg-Vorpommern, erleiden. Doch statt zu verzweifeln, findet Bourrée einen kreativen Ausweg aus seiner Misere. In der Gefangenschaft fertigt er mehr als 130 Zeichnungen an, die er in einem Zeichentagebuch festhält. Es sind Darstellungen des Lageralltags, Schilderungen des Zusammenlebens oder Porträts von Mitgefangenen.

Jetzt hat Esther Bourrée, die Enkelin des Zeichners, zusammen mit dem Freundeskreis Wuppertal - St. Etienne, dem Ehepaar Flues und der Stadt Wuppertal eine Ausstellung mit den Werken ihres Großvaters initiiert. Eröffnet am gestrigen Montag sind etwa 70 Zeichnungen des Franzosen noch bis zum 23. November im Lichthof des Rathauses zu sehen.

Ausstellung soll Hass auf
der Welt entgegenstehen

„Ich wollte diese Bilder als Zeugnis der Zeit ausstellen“, sagte Bourée. „Und um an diese Zeit zu erinnern“, sagte sie bei der Eröffnung. Reiner Brinkmann, der Vorsitzende des Freundeskreises Wuppertal - St. Etienne, freute sich, dass mit der Ausstellung das Thema Kriegsgefangenschaft im Ersten Weltkrieg behandelt wird. „Wir hatten seit 2014 natürlich sehr viele Gedenkfeiern zum Ersten Weltkrieg, aber nie zu diesem Thema und ich freue mich, dass es genau hundert Jahre nach Kriegsende hier aufgegriffen wird“, sagte er.

Er will die Ausstellung auch als Zeichen gegen den global erstarkenden Nationalismus und Chauvinismus verstanden wissen. Auch Bürgermeisterin Ursula Schulz zeigte sich berührt angesichts der Bilder und der damit verbundenen Erinnerung. „Wir leben heute in bewegten Zeiten“, sagte sie. „Überall auf der Welt wird Hass gepredigt.“ Die Ausstellung soll diesem Hass entgegenstehen.

Und es ist dabei tatsächlich eine Besonderheit, wenn man das Schicksal der Kriegsgefangenen im ersten Weltkrieg zum Thema einer Ausstellung macht. Wenig ist über sie bekannt. Allein in Deutschland wurden aber in der Zeit des Ersten Weltkrieges, im Jahr 1918, mehr als 2,5 Millionen Kriegsgefangene festgehalten. In Parchim, in Mecklenburg-Vorpommern, wo Bourrée interniert war, begannen die Planungen für ein Gefangenenlager kurz nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Parchim, 40 Kilometer von Schwerin entfernt, hatte damals knapp 18 000 Einwohner. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs lebten dort in verschiedenen Gefangenenlagern etwa 55 000 Menschen.

Auf seinen Bildern bringt Maxime Bourrée diese abstrakte Zahl von Menschen in persönlichen Schicksalen zum Ausdruck. Da ist zum einen die Darstellung von Hunger, Kälte und Entbehrungen. Vor allem die russischen Kriegsgefangenen hat Bourrée dabei herausgestellt. Denn im Gegensatz zu den französischen oder belgischen Gefangenen kamen kaum Lebensmittelpakete für die Russen in die Lager.

Ein Bild von Maxime Bourrée zeigt exemplarisch zwei russische Gefangene, die sich um eine fast leere Mülltonne mit Lebensmittel-Abfällen streiten. Bourrée selbst hat Sendungen aus der Heimat bekommen. Vermutlich hat er sie häufig gegen Zeichenstifte und Farbe getauscht. Wie man anhand der Karikaturen erkennt, hatte Bourrée aber auch den Blick fürs Humorvolle in dunklen Tagen. Viele Porträts hat Bourrée offenbar absichtlich komisch über-zeichnet, um bestimmte Verhaltensweisen seiner Lagergenossen darzustellen. Fast die Hälfte seiner Zeichnungen sind Porträts.

Nach seiner Kriegsgefangenschaft hat Bourrée zwar weiter gezeichnet und gemalt. „Aber es war immer nur sein Hobby, nie sein Geschäft“, sagte Esther Bourrée. Ihr Großvater habe hauptberuflich im Transportwesen gearbeitet. Er starb mit 92 Jahren in Paris. Sein Nachlass aber lebt weiter und wurde schon in zwei Ausstellungen gezeigt. Esther Bourrée wünscht sich, um die Erinnerung wach zu halten, auch irgendwann eine Ausstellung in Parchim. „Das ist mein Ziel“, sagte sie.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort