Wer wird bei der Bundestagswahl vorne liegen?

Neuss, Grevenbroich, Dormagen und Rommerskirchen liegen im Bundestagswahlkreis 108/Neuss I. Welcher Kandidat hat dort die besten Aussichten und wie sieht die politische Struktur aus?

Rhein-Kreis. Es waren „Tage wie diese“ als die CDU-Spitze am 22. September 2013 im Berliner Konrad-Adenauer-Haus so begeistert (und so schräg) den Hit der Toten Hosen grölte, dass sich Kanzlerin Angela Merkel später telefonisch bei Hosen-Frontmann Campino entschuldigte.

Hermann Gröhe, Bundestagsabgeordneter aus Neuss, damals noch Generalsekretär der CDU, rockte auf der Bühne mit, was das Zeug hielt — und hatte allen Grund dazu: Mit 51,6 Prozent der Stimmen hatte er es geschafft, den Vorsprung auf seinen SPD-Herausforderer — 2013 Klaus Krützen — auf 21 Prozentpunkte auszubauen.

Also alles klar bei der Bundestagswahl in Neuss, Grevenbroich, Dormagen und Rommerskirchen vier Jahre später? Abwarten. Natürlich ist Gröhe (56), inzwischen Bundesgesundheitsminister, im Duell mit Daniel Rinkert (29), SPD-Kreisvorsitzender aus Grevenbroich, der haushohe Favorit. Allerdings: „Tage wie diese“ haben auch schon andere gesungen. 2012 eroberten Reiner Breuer und Rainer Thiel für die SPD die beiden Landtagsmandate in Neuss und im Süden des Kreises.

2014 dann noch ein Tiefschlag für die CDU in Gröhes Bundestagswahlkreis: Absturz bei der Kommunalwahl. In Neuss rutscht die CDU erstmals unter 40 Prozent, Schwarz-Gelb im Stadtrat ist gescheitert. In Dormagen setzt sich der damals erst 27-jährige SPD-Kandidat Erik Lierenfeld gegen Amtsinhaber Peter-Olaf Hoffmann (CDU) durch und wird Bürgermeister. Auch in Rommerskirchen sind die Christdemokraten chancenlos: Martin Mertens (SPD) zieht mir über 60 Prozent der Stimmen ins Rathaus ein.

Nächste Wahl, nächster Treffer aus Sicht der SPD: Im Herbst 2015 zieht mit Reiner Breuer schon im ersten Wahlgang erstmals ein Sozialdemokrat als Bürgermeister ins Neusser Rathaus ein. Und auch Grevenbroich wird wieder „rot“. Klaus Krützen schlägt Ursula Kwasny im Kampf ums Bürgermeisteramt.

Also alles klar mit Blick auf die Bundestagswahl 2017? Abwarten. Mitte Mai waren es wieder die Christdemokraten, die sich über „Tage wie diese“ freuen konnten: In Neuss holte sich Jörg Geerlings (CDU) das 2012 an die SPD verlorene Landtagsmandat zurück. Und auch Grevenbroich, Dormagen und Rommerskirchen wurden auf der politischen Landkarte wieder schwarz: Heike Troles (CDU), als Außenseiterin gestartet, jagte Rainer Thiel (SPD) sein Mandat im Landtag ab.

Also alles klar für die Bundestagswahl in knapp einem Monat? Abwarten. Starke Ergebnisse in der Vergangenheit, der Amtsbonus, ein hoher Bekanntheitsgrad als Minister und nicht zuletzt der Bundestrend mit deutlichem Vorteil für die Union sprechen dafür, dass Hermann Gröhe auch der nächste direkt gewählte Bundestagsabgeordnete im Wahlkreis Neuss I ist.

Aber: Auch Gröhe ist nicht unschlagbar. 2002 hat er gegen den damaligen Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) verloren. Einen solchen Amtsbonus hat Daniel Rinkert allerdings nicht vorzuweisen. Dennoch hat er mit Platz 21 auf der Landesliste der NRW-SPD gute Chancen, auch bei einer Niederlage gegen Gröhe in den Bundestag einzuziehen.

Das gilt auch für den FDP-Bundestagskandidaten Bijan Djir-Sarai, der erneut antritt, um sich sein 2013 verlorenes Mandat zurückzuholen. Auf Platz sechs der Landesliste seiner Partei abgesichert, dürfte der 41-Jährige in Berlin wieder mit dabei sein, falls die FDP den Wiedereinzug in den Bundestag schafft. Bislang sieht es — nach aktuellen Umfragen — danach aus. Da sind allerdings noch einige Unbekannte in der Rechnung: Wie stark wird die AfD? Was wird aus den Grünen und der Linken? Kandidaten mit aussichtsreichen Listenplätzen haben sie im Wahlkreis Neuss I nicht. Die für sie abgegebenen Stimmen würden aber natürlich den Mitbewerbern fehlen.

Wer singt also am 24. September „Tage wie diese“? Abwarten.

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