Dormagen: „Alles ich“: Projekt offenes Tagebuch

Raphaelshaus: Jeder Neuzugang erhält ein Biografiebuch für Eintragungen von Erfahrungen, Wünschen und Hoffnungen.

Dormagen. "Alles ich!" heißt es seit kurzem im Raphaelshaus. Damit soll nicht etwa eine neue egoistische Grundhaltung eingeführt werden. Vielmehr ist "Alles ich" der Titel des Biografiebuches, das ab sofort jeder Neuzugang bei seinem Einzug ins Raphaelshaus erhält. "Eine Art offenes Tagebuch" nennt Bereichsleiterin Dorothee Rothkötter den umfangreichen Ordner, in dem die Kinder und Jugendlichen ihre Lebensgeschichte, ihre Erfahrungen, Wünsche und Ziele beschreiben können:

"Es geht um ganz unterschiedliche Fragen, zum Beispiel darum, wie die Mutter die Schwangerschaft erlebt hat und warum gerade dieser Name für das Kind gewählt wurde."

Im Bereich Gegenwart wird die Zeit im Raphaelshaus betrachtet, am Ende werden Perspektiven für das Leben nach dem Auszug beschrieben. Der Kreativität sind bei der Gestaltung keine Grenzen gesetzt. Das Buch kann mit Bildern, Zeichnungen und wichtigen Erinnerungsstücken vervollständigt werden.

"Die Biografiearbeit ist ein wichtiges Element der pädagogischen Arbeit. Das Buch kann dazu beitragen, die Kinder von Schuldgefühlen zu entlasten, da sie ihre Vergangenheit aufarbeiten und die Hintergründe ihrer Heimunterbringung dadurch besser verstehen lernen", erklärt Rothkötter.

Sie will, genau wie Einrichtungsleiter Hans Scholten, den gemeinsamen Schützlingen damit einen "wertvollen Schatz" mit auf den Weg geben, der sie durch das Leben nach dem Raphaelshaus begleitet. Der Bedarf besteht, da ist sich Dorothee Rothkötter sicher: "Viele Ehemalige, die sich heute im Raphaelshaus melden, fragen immer wieder nach Fotos, Personen und Namen aus ihrer Zeit. Leider hatten sie damals kein Buch, in dem sie das alles festhalten konnten."

Dafür, dass die derzeitigen und zukünftigen Bewohner des Jugendhilfezentrums jetzt mit den notwendigen Mitteln zur Erinnerung ausgestattet werden, sorgen die "Freunde und Förderer des Raphaelshauses", eine Stiftung, die seit neun Jahren unauffällig, aber effektiv im Hintergrund wirkt.

"Ohne die Stiftungsmittel wären Projekte wie das Biografiebuch oder die Sanierung unseres Ferienhauses in der Eifel gar nicht möglich gewesen", unterstreicht Scholten. 15000 Euro hat der Druck von 500 Biografiebüchern gekostet, bezahlt aus den Stiftungserträgen des Jahres 2008.

Auch die Mittel für 2009 sind schon verplant, erzählt Scholten: "Davon schaffen wir neue Werkzeuge und andere Ausstattung für unsere pädagogischen Hilfsprojekte an."

Schon seit vielen Jahren ist es im Raphaelshaus Tradition, dass die Jugendlichen zu kleinen Hilfseinsätzen in Gebiete fahren, wo Hilfe Not tut. Zum Beispiel beim Oder-Hochwasser 2002 oder ganz aktuell bei der Flut in Polen.

Derzeit sind die Kurt-Hahn-Gruppe und die Otmar-Alt-Gruppe in der Nähe von Krakau im Einsatz, um dort die Bewohner bei der Renovierung ihrer vom Wasser zerstörten Häuser zu unterstützen. Für die Jungs eine emotional aufrüttelnde Erfahrung, wie Scholten berichtet: "Es hat Tränen der Rührung gegeben angesichts der Erfahrung, wie Existenzen durch die Natur einfach zerstört werden."

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