Serie: Hilfe aus Tönisvorst Vom Lieferanten zum Produzenten

Vorst. · Action Medeor hat sich vom Medikamentenlieferanten zum Produzenten entwickelt. Nun stockt die Ausfuhr.

 Der Mediziner Ernst Boekels gründete Action Medeor als Medikamentenhilfe im Jahr 1964 in Vorst. Im Mai 2019 starb er mit 91 Jahren.

Der Mediziner Ernst Boekels gründete Action Medeor als Medikamentenhilfe im Jahr 1964 in Vorst. Im Mai 2019 starb er mit 91 Jahren.

Foto: Action Medeor

Als im Jahr 1964 der Arzt Ernst Boekels die Action Medeor aus der Taufe hob, hätte er sich wohl selbst kaum träumen lassen, was einmal aus seinem Projekt werden würde. „Er wollte damals einfach Medikamente einsammeln, die hier nicht mehr gebraucht wurden, und sie in Regionen der Welt bringen, wo sie nicht auf dem Müll landen, sondern noch Nutzen entfalten“, erzählt Norbert Vloet. Er ist Leiter der entwicklungspolitschen Bildung bei der Hilfsorganisation im Stadtteil Vorst und bereits seit 1987 dabei. Entsprechend viele Geschichten hat er zu erzählen.

Zu Beginn sammelten die Initiatoren an vielen Orten die Medikamente von privaten Spendern ein. „Das fand tatsächlich im Haus von Dr. Boekels statt. Er hatte bis zum Speicher alles vollstehen, und dann wurde es hauptsächlich nach Afrika verschifft“, sagt Vloet. Das ist heute ganz anders. „Schon gegen Ende der 1960er-Jahre setzte sich die Erkenntnis durch, dass unsere hiesigen Medikamente dort kaum eine Hilfe sind“, berichtet er. Zumal die Qualität nicht immer sichergestellt werden könne, wenn Medikamente gespendet würden. „Etwas vereinfacht gesagt: Gespendet wurde Aspirin, gebraucht wurden Mittel gegen Malaria oder andere Tropenkrankheiten“, sagt Vloet. Darum stellte Action Medeor das Programm um.

Es wurden Kooperationspartner in aller Welt gesucht, um Medikamente selbst produzieren zu können. „Wir haben ausschließlich Generika im Programm“, sagt Vloet. Das sind Medikamente, deren Patentschutz ausgelaufen sind und die nun von anderen Anbietern sozusagen nachgebaut werden. „Das hat zwei Gründe“, erläutert Unternehmenssprecher Markus Bremers: „Einerseits sind sie so sehr preiswert. Unsere Kosten liegen oft im Cent-Bereich, was die Herstellung angeht. Andererseits aber sind es damit auch erprobte Medikamente, deren Verträglichkeit über Jahrzehnte erwiesen ist.“

Kooperation mit lokalen
Partnern auf Augenhöhe

Wichtig ist den Verantwortlichen, dass inzwischen nicht mehr von „Entwicklungshilfe“ gesprochen wird. „Was wir heute betreiben, ist anders als im vergangenen Jahrhundert“, sagt Bremers. „Damals kam der weiße Mann und erklärte den Menschen in Entwicklungsländern die Welt. Wir suchen heute den Diskurs und versuchen, mit lokalen Partnern auf Augenhöhe zu kooperieren. Darum reden wir heute auch ganz klar von Entwicklungszusammenarbeit.“

Heute hilft Action Medeor nicht nur mit Medikamenten. „Es gibt drei Standbeine“, sagt Bremers. Die Medikamente seien eines, dazu gebe es die Bildung und Projektarbeiten. „So haben wir beispielsweise fertig gepackte Notfallkisten, die im Bedarfsfall in Katastrophengebiete gehen und dort dann den Helfern zur Verfügung stehen. Da ist dann alles drin, um eine Bevölkerung von mehreren Tausend Personen über Wochen medizinisch zu versorgen.“

Mindestens genauso wichtig sei die Bildung. „Es gibt tatsächlich Gegenden auf der Welt, in denen Mädchen sehr früh schwanger werden – oft ungewollt. Hier sind wir sehr aktiv, Aufklärung zu betreiben. Über Empfängnisverhütung, aber auch in anderen Bereichen, zum Beispiel in der Vermeidung sexualisierter Gewalt“, erläutert der Sprecher. In der Folge wurde aus dem Garagenprojekt der 1960er-Jahre ein heute mittelständisches Unternehmen mit einer jährlichen Bilanzsumme von 12,5 Millionen Euro, das aber weiterhin in der Rechtsform eines Vereins besteht. Eine große Herausforderung für die Verantwortlichen stellte auch bei Action Medeor die Corona-Pandemie dar. „In der Hochzeit der Probleme, als überall Schutzartikel knapp waren, gab es einen Ausfuhrstopp“, erinnert sich Bremers. Dann hätten manchmal eine fertig gepackte Palette mit Hilfsgütern im Wert mehrerer Tausend Euro und mehreren Tonnen Gewicht wieder ausgepackt werden müssen, weil 30 Schutzhandschuhe darin gesteckt hätten. „Dann musste neu gepackt werden und neue Exportpapiere mussten beantragt werden“, schildert Bremers. „Allein das dauerte oft Wochen. Unser Lager war im Ergebnis zum Bersten gefüllt.“

Auch jetzt noch ist die Lage längst nicht wieder normal. Wie andere Unternehmen steht Action Medeor weiter vor großen Herausforderungen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort