Bäckerei in St. Tönis Die lange Suche nach den Auszubildenden

St. Tönis/Kempen · Bislang hat sich in diesem Jahr niemand im Familienbetrieb van Densen beworben. Dabei hat die Bäckerei auf allen Kanälen geworben. Konditormeister Andreas Amberg hat glücklicherweise eine Auszubildende gefunden, doch das sei immer schwieriger, sagt er.

 Nadine und Sebastian van Densen hoffen, bei der Suche nach Lehrlingen für ihre Bäckerei in St. Tönis noch erfolgreich zu sein.

Nadine und Sebastian van Densen hoffen, bei der Suche nach Lehrlingen für ihre Bäckerei in St. Tönis noch erfolgreich zu sein.

Foto: Norbert Prümen

. Nadine van Densen aus St. Tönis versteht die Welt gerade nicht: Sie und ihre Familie bieten zwei Ausbildungen in ihrer Bäckerei zum Bäcker oder Bäckereifachverkäufer an, und niemand meldet sich. „Wir haben wirklich alle Register gezogen, eine Bewerbung kam, und dann erschien das Mädchen nicht zum Vorstellungsgespräch“, erzählt die 39-Jährige.

Aufrufe in sozialen Netzwerken, Plakate, Kontaktmöglichkeiten über Whatsapp, bei der Agentur für Arbeit haben sie inseriert – aber nichts passiert. Als „Glücksgriff“ bezeichnet der Konditor Andreas Amberg aus Kempen seine Auszubildende, denn auch er musste richtig für sich werben.

Der 50-Jährige ist Landeslehrlingswart beim Landesinnungsverband des Konditorenhandwerks Nordrhein- Westfalen und sagt: „Es wird von Jahr zu schwieriger, wir haben die Hälfte der Lehrlinge im Konditorenhandwerk im Vergleich zu vor zehn Jahren verloren.“ Dass es so schlimm werden könnte, hätte Nadine van Densen, selbst gelernte Betriebswirtin, nicht gedacht. „Niemand mehr möchte in den Einzelhandel, den Verkauf oder in die Backstube“, erzählt die Mutter von zwei kleinen Kindern. Dies schiebt sie nicht auf die Corona-Pandemie.

Suche nach einem Azubi ging
bereits im vergangenen Jahr los

Auch Andreas Amberg ist der Meinung: „Am liebsten möchten die jungen Leute spät anfangen, früh Feierabend machen und bloß das Wochenende frei haben“, sagt der Konditormeister, dessen Betrieb seit 50 Jahren von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. Er selbst stellt regelmäßig einen Aufsteller an die Straße, Mund-zu-Mund-Propaganda sei außerdem wichtig. Schon im vergangenen Jahr begann seine Suche. „Wir haben echt Glück, haben jetzt eine 20-Jährige eingestellt“, sagt Andreas Amberg. Durch seine Tätigkeit beim Verband hat er regen Kontakt zu anderen Ausbildungsbetrieben und tauscht sich aus, deshalb weiß er: „Es gibt überall freie Lehrstellen, man muss vielleicht nur mehr suchen“, sagt Amberg.

Soziale Netzwerke
und „Speed Dating“

Das Problem: Viele junge Leute würden nach der Schule gerne erst einmal ins Ausland gehen oder studieren. Handwerk sei nicht mehr angesagt, berichtet der Konditormeister. Nadine van Densen beklagt zudem ein generelles Personalproblem. „Wir sind immer auf der Suche, das ist echt schlimm“, sagt die 39-Jährige, die im Verkauf in der Bäckerei arbeitet. „Es gibt Anfragen, aber nur weil die Agentur für Arbeit sie schickt, da wird schnell klar, dass sie gar nicht arbeiten wollen“, sagt die Tönisvorsterin.

Sie möchte nicht alle „über einen Kamm scheren“. Aber durch diese Situation muss ihre Familie deutlich mehr arbeiten, und das bedeutet weniger gemeinsame Zeit. Andreas Amberg versucht auf die Vorteile in seinem Job hinzuweisen: „Die Ausbildung kann je nach Schulabschluss verkürzt werden, und einige meiner ehemaligen Lehrlinge sind jetzt in renommierten Hotels angestellt“, wirbt der Konditormeister.

Auch auf Schiffen würden einige eine Anstellung finden und somit die ganze Welt bereisen können. Ein Ausbildungsbeginn in diesem Jahr sei noch bis Oktober problemlos möglich. Er empfiehlt die klassischen Online-Portale für Jobsuchen, Interessierte sollten sich aber auch in sozialen Netzwerken umzuschauen oder sogar ein „Speed Dating“ ausprobieren. Dabei können Lehrlinge und Arbeitgeber sich unkompliziert zunächst einmal „beschnuppern“. Sollte Interesse bestehen, folgen weitere Gespräche. Familie van Densen bleibt nichts anderes übrig, als weiter zu suchen und die Hoffnung nicht aufzugeben, dass sie doch die Richtige oder den Richtigen für ihre Bäckerei noch bis Herbst finden.

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