Pfarrer schockiert über Abschiebungsfall

Grünen-Fraktionschefin Martina Maaßen wirft der Verwaltung rechtswidriges Handeln vor. Unter anderem weil die Tochter der albanischen Familie krank ist. Mitschüler sind betroffen.

Pfarrer schockiert über Abschiebungsfall
Foto: Horst Siemes

Viersen. Bei Günter Bubitz, Pfarrer der evangelischen Kreuzkirche, sitzt der Schock tief. In der Nacht von Sonntag auf Montag, 4. Juli, um 4.30 Uhr, haben Mitarbeiter des Ausländeramtes der Stadt Viersen eine dreiköpfige Familie aus Albanien abgeschoben. „Ich kann gar nicht sagen, was ich darüber denke“, sagt der Geistliche, der sich mit seiner Frau Elisabeth um den Vater, die Mutter und die kranke Tochter (zwölf Jahre) kümmerte. „Die Abschiebung ist sehr unschön gelaufen“, sagt der Geistliche.

Auch an der Johannes-Kepler-Realschule, die das albanische Mädchen über ein Jahr lang besuchte, sind ihre Klassenkameraden betroffen. „Romina hat hier ein Jahr gelernt. Sie hat in dieser Zeit sehr gut Deutsch gelernt, hat hier Freundinnen gefunden und war sehr beliebt“, schildert ein Lehrer. Obwohl das Mädchen an einer Fehlbildung des Rückens (Spina bifida) litt und deswegen Nierenstörungen hatte, sei sie „sehr tapfer gewesen“.

Die Grünen-Fraktionschefin und Landtagsabgeordnete Martina Maaßen kritisiert die nächtliche Abschiebung als „rechtswidrig“. Sie verweist auf einen Erlass des Innenministeriums, wonach Familien mit Kindern unter 14 Jahren nicht in der Nacht abgeschoben werden sollen. Zudem laufe vor dem Petitionsausschuss des Landtages noch das Verfahren der Familie für eine Anerkennung ihres Asylantrages.

Bürgermeisterin Sabine Anemüller erklärt dazu: „Die Familie ist aufgrund entsprechender Bescheide und gerichtlicher Entscheidungen uneingeschränkt ausreisepflichtig gewesen.“ Es habe keine Einschränkungen wegen der Vorerkrankung des Kindes gegeben. Abweichungen von dem Minister-Erlass seien durchaus möglich: In dem vorliegenden Fall sei der frühe Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme dem Umstand geschuldet, dass ein Flug in Frankfurt am Main erreicht werden musste, so Anemüller. Die Flüge für Abschiebungen werden der Stadt Viersen durch die Zentralstelle des Landes für Flugabschiebungen zugeteilt. „Der Petitionsausschuss ist über die Bezirksregierung und über das Innenministerium bereits am 19. Mai informiert worden“, so die Bürgermeisterin. Auch ein eventueller Beschluss des Petitionsausschusses, hätte die Stadt Viersen rechtlich nicht gebunden: Besonderheiten, die diesen Fall außergewöhnlich machen, sind für Viersens Bürgermeisterin „nicht erkennbar“.

Das schätzt Pfarrer Günter Bubitz anders ein. Er verweist auf das ihm vorliegende medizinische Gutachten, wonach eine Behandlung der Tochter in ihrer Heimat nicht in der Form möglich sei wie in Deutschland. „Dem Mädchen ging es hier gesundheitlich sehr gut. In Albanien drohen ihm unter Umständen gesundheitliche Probleme — bis hin zu einem Nierenversagen“, befürchtet der Geistliche. Er ist überzeugt: „Wir hätten uns um eine Ausreise der Familie zu einem anderen Zeitpunkt kümmern können.“ Martina Maaßen zeigt sich „entsetzt“ über das Vorgehen der Ausländerbehörde, spricht von einem „trauamatischen Erlebnis für die gesamte Familie“. Auch wenn deren Klage vor dem Verwaltungsgericht abgewiesen worden sei, sei das Verfahren vor dem Petitionsausschuss noch nicht beendet gewesen. Maaßen will jetzt auf einen Anhörungstermin dort bestehen. Dann soll sich die Bürgermeisterin erklären.

Die Stadt Viersen erklärt dagegen: „Die Familie war kooperativ, der gesamte Abschiebevorgang bis zum Abflug in Frankfurt am Main, erfolgte in einer Atmosphäre, die von den Beteiligten als freundlich umschrieben wird.“ Und: „Eine freiwillige Ausreise, bei der auch die Ausreisezeiten freier hätten gewählt werden können, hat die Familie abgelehnt.“ Bei Günter Bubitz sitzt das Unverständnis über die nächtliche Abschiebung tief: „Die Familie war in der Gemeinde integriert, hat regelmäßig die Gottesdienste besucht.“ Am kommenden Sonntag werden ihre Plätze leer bleiben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort