Zu viele Fraktionen im Stadtrat verderben die Politik

Velberts politische Landschaft ist zerfasert. Und das ist für den Bürger schlecht. Denn er erkennt gar nicht mehr, wofür welche Fraktion wirklich noch steht.

Velbert. Neun Fraktionen — bunter ist kein Rat in Nordrhein-Westfalen. Doch die Velberter politische Vielfalt hat ihren Preis. Die Gemengelage im Saal Velbert des Rathauses ist unübersichtlich.

Faktisch ist es eine große Koalition aus CDU und SPD, die die Politik trägt. Es ist nicht auszuschließen, dass mit der Kommunalwahl im Mai 2014 die Velberter Polit-Palette um eine weitere Farbe reicher wird — um das Orange der Piraten.

Es hat was von Weimarer Verhältnissen. Die Zerfaserung des Rates hat mit der Aufgabe der Fünf-Prozent-Hürde deutlich an Tempo aufgenommen. „Der Sinn von Sperrklauseln ist es, eine „Zersplitterung“ der Sitzverteilung zu verhindern und damit stabile Mehrheiten zu fördern.“

So beschreibt Wikipedia den Nutzen von Hürden, die Parteien und Wählergruppen überspringen müssen. 1999 wurde für die Kommunalwahlen in NRW eben diese Sperrklausel abgeschafft. Nun reicht ein Stimmenanteil von etwa drei Prozent, damit ein Ratsmandat erzielt werden kann.

Doch nicht nur die Aufgabe der Sperrklausel hat Velbert Weimar beschert: Neue Fraktionen sind durch Absplitterungen aus vorhandenen Gruppierungen in der laufenden Wahlperiode entstanden — wie zuletzt „Neues Velbert“, das sich als „neue Kraft“ in der Politszene preist.

„Diese ganze Entwicklung ist natürlich eine Katastrophe.“ Das sagt einer, der die Zersplitterung wesentlich mitgeprägt hat — Dieter Stoschek. Früher bei Velbert anders, zuletzt als fraktionsloser Einzelkämpfer.

Als solcher hat er jetzt kapituliert und hat der „Augsburger Puppenkiste“, wie er den Rat bezeichnet, den Rücken gekehrt und sein Mandat niederlegt. „Die großen Volksparteien sollten sich hinterfragen, warum immer mehr kleine Fraktionen entstehen“, sagt er. CDU und SPD hätten versäumt, sich daran zu erinnern, wer ihnen das Mandat erteilte: „Nämlich der Bürger.“

Mit dem Rat der neun Fraktionen sind verlässliche Mehrheit entweder aufwendig und langwierig zu bilden — oder die beiden altgedienten Platzhirsche tun sich zusammen. Was die Kleinen als einen Grund für den Bürgerfrust ausmachen, sieht Manfred Bolz (CDU) als Notwendigkeit. „Die treiben CDU und SPD doch in die Arme.“ Bolz’ Einschätzung: „Die kleinen Gruppen machen nur Klientelpolitik, wir müssen das große ganze im Blick halten.“

Fakt bleibt jedenfalls, dass die bunte Fraktionswelt des Stadtrates diesen lähmt. Nun hat der Velberter Bürger das durch seine Wahl so bestimmt. Aber kann der Wähler erkennen, wofür welche Fraktion eigentlich politisch steht?

Wohl kaum. Und die Transparenz dürfte im Mai 2014 nicht größer werden, sollte Fraktion Nummer 10 einziehen: Martin Schwarz, Sprecher der Velberter Piraten: „Wir treten bei der Kommunalwahl an.“ Mit einem Stimmenanteil von drei Prozent sind auch die Piraten „drin“. Die Suche nach Mehrheiten würde dadurch nicht einfacher — demokratisch ist es aber allemal.

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