Wülfrath: An der Wilhelmshöhe trifft man sich noch heute am Gartenzaun

Den ersten Siedlern dienten die großen Grundstücke zur Selbstversorgung. Gemeinschaft wird groß geschrieben.

Wülfrath. Es ist angenehm, an einem der höchsten Punkte der Stadt zwischen den Häusern hindurch zu schlendern. In einem Vorgarten zupft eine ältere Dame Lavendel, ein Schulkind mit Tornister ist auf dem Weg nach Hause. Wer durch die Wilhelmshöhe geht, dem fällt auf, dass ihm im Grunde nichts auffällt. Kein Müll. Kein Lärm. Keine Unruhe.

Stattdessen saubere Wege und Vogelgezwitscher. Gut, hier und da durchdringt das Geräusch eines Gartengeräts die Stille. Aber die Bewirtschaftung des eigenen Grüns hat Tradition - am Anfang war sie Lebensgrundlage der Menschen, die sich an der Wilhelmshöhe ansiedelten.

"Wir haben damals viel angepflanzt, Kartoffeln oder Weißkohl, dazu Ziegen und Hühner gehalten. Komplette Selbstversorgung", berichtet Werner Buckard, der in seinem Wintergarten sitzt. Der 76-Jährige ist Vorsitzender der Siedlergemeinschaft und mit Nachbar Wilfried Roguschak (75) ein echter "Wilhelmshöher". Beide leben dort seit 1935. "Das Land wurde seinerzeit für 20 Handwerkerfamilien zum Bau ausgeschrieben", erinnern sie sich an die städtische Siedlungsmaßnahme.

Die Handwerker errichteten in mühevoller Arbeit zehn Doppelhaushälften selbst. Das Fundament aus Kalkbruchsteinen sieht man heute noch an manchem Haus. Stallungen, Heuböden und Plumpsklo gehörten zum Leben dazu. "Die Selbstversorgung endete im Grunde 1948 mit Einführung der D-Mark", sagt Roguschak, "danach konnte man alles in Läden kaufen."

In den 1950er- und 60er-Jahren wurden die Grundstücke verkleinert. Niemand brauchte mehr 1.200 Quadratmeter zum Anbau von Gemüse. Handwerker leben heute auch nicht mehr viele an der Wilhelmshöhe, und der eigene Garten ist nur Traditionspflege und Hobby. Buckard zieht Stangenbohnen, seiner Nachbarin Anneliese Frauenhoff (77) hilft der Sohn bei der Pflege des akkuraten Gartens, und Roguschak hat immer noch einen gewaltigen Kirschbaum im Hinterhof.

Am Straßeneingang, den Kinder auf dem Schulweg passieren, entdeckt man beim Rundgang dann doch noch die achtlos weggeworfene Verpackung einer Milchschnitte. Dass diese nicht lange liegen bleibt, dafür sorgen die Grünflächenpaten Erwin (78) und Lieselotte Schreiber (65). Zwei Stunden pro Woche räumen sie den Müll weg - ein wichtiges Anliegen. "Da haben wir alle etwas davon, weil es netter aussieht", begründet Lieselotte Schreiber ihr Engagement.

Ihren Nachbarn gefällt das. "Die Sauberkeit war auch ein wichtiger Punkt, herzuziehen", denkt Sabine Bombelka an die Haussuche vor fünf Jahren zurück. Die 38-Jährige hatte immer den Traum, einmal an der Wilhelmshöhe zu wohnen. Für sie macht es vor allem die Mischung aus Jung und Alt. "Viele Freunde leben hier", freut sich Sohn Sven (10) über kurze Wege. "Man hilft sich auch untereinander, wir wohnen einfach perfekt", findet seine Mutter.

Sabine Bombelka geht es wie Werner Buckard: "Ich würde hier nicht mehr weggehen", erklärt dieser, bevor seine Frau Helene (73) das Mittagessen serviert - Bratkartoffeln und Salat. Nur Nudeln erinnern nicht an die Zeit, als die Wilhelmshöhe sich selbst versorgte. Eins findet Buckard dann auch noch: "Unsere eigenen Kartoffeln waren früher besser."

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