CDU: Analyse - Noch nicht in der Spur

Zwischen Erneuerung und Scherbenhaufen. Wo steht die Ratinger CDU heute wirklich?

Ratingen. "Mit der personellen Erneuerung hat die CDU einen wesentlichen Schritt getan, verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen." Die CDU sei nun gut aufgestellt für die Kommunalwahl 2009. So formulierte der Vorsitzende des Stadtverbandes der CDU, Rolf Steuwe, jetzt seine Standortbestimmung der Ratinger Christdemokraten nach der Nominierung der Ratskandidaten.

Als Scherbenhaufen sieht dagegen der Ehrenfraktionsvorsitzende und Ehrenvorsitzende der Lintorfer CDU, Rolf Blumenkamp, seine Partei. Nach 43 Jahren Mitgliedschaft gab er jetzt sein Parteibuch zurück, ebenso Ratskollege Ulrich Giegling. Allein in Lintorf wurden am Freitag 15Austritte dem Kreisverband übermittelt, weitere sind angekündigt - etwa die der Ratsherren Jörgens und Noss. Klaus Bilzer, Vorsitzender des Ortsverbandes Lintorf: "Auch in Mitte und West treten CDU-Mitglieder aus."

Das ist die andere Wirklichkeit der Ratinger CDU. Wo steht die Partei heute?

Ein gutes halbes Jahr vor der Wahl sieht es nicht sehr rosig aus: Die Fraktion ist nach dem Austritt der Lintorfer von 23 auf 18Köpfe geschrumpft, der Vorsprung zur Bürger Union beträgt mithin noch zwei Sitze. Mit Stephan Santelmann präsentierte man zwar als erste Partei einen Bürgermeisterkandidaten, doch der Kölner Sozialamtsleiter ist nach Ansicht vieler noch nicht richtig in Ratingen angekommen. Er punktet mit hohen Sympathiewerten, macht sich in letzter Zeit aber rar in Ratingen.

Die Wahlkandidaten sind jetzt nominiert, aber nicht alle sind unumstritten. Michael Merder beispielsweise. Der Breitscheider ist weithin unbekannt, was sich auch bei der Wahl der Kreisdelegierten niederschlug: Merder habe gerade mal 19 Stimmen bekommen - von rund 200 Wahlberechtigten, sagt Klaus Bilzer. Als er anschließend gegen Jochem Noss antrat, erhielt Merder 145. Gemessen am Beifall nach seiner Vorstellung kam auch Karl-Heinz Kaufmann nicht gerade als Kracher daher. Als Widerpart von Karl-Heinz Jörgens gab es aber 123 Stimmen für den früheren BU-Ratsherrn.

Apropos Bürger Union: Seit der Abspaltung vor fünf Jahren fuhr die Parteispitze in der Regel den Kurs: Finger weg von der BU! Die Verbitterung über den Bruch war offenbar so tief, dass man Birkenkamp, Diehl und Co. als Schmuddelkinder empfand, mit denen man nicht einmal spielen darf - vergessend, dass sie aus dem gleichen Haus stammen.

So gab es in der Folge immer dann Knatsch in der CDU, wenn der strikte Antikurs zur BU von Ratsleuten nicht eingehalten wurde. Das bekam Hanno Paas zu spüren, dessen Kontakte dem BU-Bürgermeister auf der Immobilienmesse ExpoReal Türen öffnen konnten, aber auch die Lintorfer, die zum Neujahrsempfang ihres Ortsverbandes auch den Bürgermeister eingeladen hatten - das aber nicht durften.

Fraktionsvorsitzender Ewald Vielhaus scheint dabei so etwas wie eine tragische Figur zu sein: Er will alle Zügel in der Hand halten, kommt dabei aber mit seiner CDU-Kutsche öfter fast vom Weg ab. Und wenn mal ein paar Pferde durchgehen, lässt man sie schlachten. Dass Vielhaus in der CDU nicht unumstritten ist, zeigte sich bei seiner Nominierung zum Ratskandidaten. Der politisch unbeschrieben Gegenkandidat Christian Freund sackte aus dem Stand 106 Stimmen ein, Vielhaus erhielt 178 - für einen Fraktionsvorsitzenden ein verheerendes Ergebnis. Dazu kam die Schlappe bei der Kandidatur zum Bundestag.

Ob die CDU wirklich verloren gegangenes Vertrauen zurück gewinnen kann? In der Partei glauben viele nicht an den Erfolg der von Steuwe beschworenen "personellen Erneuerung". Zumal sie zur Unzeit kommt und die vom Führungstrio Vielhaus, Droste und Steuwe verordnete Harmonie nachhaltig zu stören scheint. Denn dass fast ein Viertel der Fraktion und auch der Partei den Rücken kehrt, wird Spuren hinterlassen. Die CDU verliert damit lokal verankerte Politiker, die in ihrem "Dorf" wussten, wo der Schuh drückt. Die neuen Kandidaten haben es schwer: Sie müssen das Vertrauen der Wähler vor Ort gewinnen, sonst sind sie chancenlos. Und auch Bürgermeisterkandidat Santelmann muss präsenter sein und Profil zeigen: weg vom Grillfest- und Herbstwanderungsbesucher und hin zum Kenner der Stadt. Fatal für die CDU wäre eine weitere bürgerliche Gruppierung im Wahlkampf. Sie würde weitere Stimmen kosten.

Profitieren von dem CDU-Querelen könnte die andere große bürgerliche Partei - die Bürger Union, auch wenn man an der CDU-Spitze gerade das vermeiden wollte.

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