107 Steine gegen das Vergessen

In der Nacht zum 10. November 1938 zerstörten die Nazis jüdische Geschäfte. Stolpersteine erinnern in allen zehn Städten an die Opfer des Nationalsozialismus.

Kreis Mettmann. Heute vor 72 Jahren: Synagogen brennen, jüdische Händler werden aus Läden geprügelt. Aus Angst, gequält und gefoltert zu werden, begehen etliche Menschen Selbstmord.

Im ganzen Land kommt es rund um die Nacht des 9. November zu Übergriffen, vornehmlich gegen Juden. Wegen der vielen zerschlagenen Fensterscheiben wird jene Reichspogromnacht auch Kristallnacht genannt.

Von langer Hand waren die Aktionen geplant. Nachdem bereits einige tausend Juden ausgewiesen worden waren, spielte den Nationalsozialisten ein Attentat Anfang November 1938 in die Karten. Ein in Paris lebender Jude erschoss wegen der Vertreibung seiner Eltern den deutschen Botschaftssekretär. Auf ein solches Ereignis hatten die Nazis gewartet, um ihr Tun zu "rechtfertigen".

Viele Geschichtsforscher haben sich daran gemacht, die Reichspogromnacht zu dokumentieren. So hat eine Gruppe des Velberter Geschwister-Scholl-Gymnasiums 1988 die Schrift "Pogromnacht in Velbert" herausgegeben.

Dort ist aufgelistet, dass die SA in jener Nacht Wohnungen und Geschäfte zerstört hat. Die Firma Aaron verlor Werkräume und Betzimmer. Das Haus von Viehhändler Jakob Salomon wurde niedergebrannt. Am Tag darauf deportierten die Nazis sechs Juden ins KZ Dachau.

Damit die Opfer nicht in Vergessenheit geraten, erinnern die Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig an die Menschen, die ihre letzte Wohnstätte verlassen mussten oder starben. In jeder Stadt des Kreises Mettmann gibt es mindestens einen Stolperstein.

Ganze Familien wurden entzweit oder ausgelöscht. So liegen gleich vier "Stolpersteine" in der Hildener Mittelstraße. Dort wohnte Familie Herz. In der Pogromnacht wurde Carl Herz erstochen. Sohn Otto und Schwiegertochter Lieselotte fanden ebenso 1942 im KZ Auschwitz den Tod wie Enkel Manfred.

Aber nicht nur Juden waren Ziel der Verfolgung durch durch die Nationalsozialisten. Auch Homosexuelle, Behinderte, Andersdenkende und Geistliche gerieten unter das Joch der Diktatur. So wurde 1941 in Erkrath eine bis heute ungeklärte Zahl alter und behinderter Frauen aus dem Josefskloster gegen den Widerstand der sie pflegenden Nonnen deportiert und ermordet.

Auch Kirchenmänner waren vor den Nazis nicht sicher: Priester Franz Boehm aus Monheim und Kaplan Johannes Flintrop aus Mettmann leisteten durch Predigten Widerstand. Sie starben als Staatsfeinde in Konzentrationslagern.

Überall im Kreis finden heute Veranstaltungen statt, um der Ereignisse zu gedenken. Der Velberter Geschichtsforscher Eduard Neumer würde es begrüßen, wenn man sich aus Pflicht nicht nur heute erinnert: "Die Menschen haben nach dem Pogrom im Elend gelebt. Das muss man stets vor Augen haben, damit es keine Rückfälle gibt."

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