Renate Meyers (Tanzhaus NRW): „Hip-Hop ist eine Kunstform“

Was macht Hip-Hop heute noch zeitgemäß? Renate Meyers vom Tanzhaus NRW erklärt es.

Düsseldorf. Frau Meyers, was hat der Name „Juste Debout“ — so heißt der Tanzwettbewerb, der am Wochen- ende im Tanzhaus stattfindet — mit Hip-Hop zu tun?
Renate Meyers: „Juste Debout“ kommt aus dem Französischen, bedeutet „gerade, aufrecht“ und betrifft die urbanen Tanzformen, die nicht am Boden getanzt werden.

Also alles außer dem bekannten Breakdance?
Meyers:
Genau.

„Juste Debout“ stammt aus Paris und ist einer der größten Hip-Hop-Wettbewerbe Europas mit den besten Tänzern und mehreren Tausend Zuschauern. Warum liegt das Epizentrum der europäischen Hip-Hop-Szene eigentlich in Frankreich?
Meyers
: In Frankreich war Hip-Hop-Tanz immer schon groß — weil dort sehr viele Franzosen mit Migrationshintergrund leben und eine große urbane Subkultur entstand.

Was fasziniert junge Menschen so am Hip-Hop?
Meyers
: Die Musik, die Bewegungsformen, die Sprache. All das gehört zum Hip-Hop dazu. All das ist eine Möglichkeit für junge Menschen, sich auf ihre eigene Weise miteinander zu verständigen.

Man könnte also auch sagen: Hip-Hop ist als Jugendkultur eine Chance für Heranwachsende, sich von Erwachsenen abzugrenzen?
Meyers:
Ja. Genauso ist Hip-Hop in den 70ern auch in den USA entstanden: Die „Battles“ genannten Wettbewerbe, bei denen die Tänzer gegeneinander antreten, waren schon damals die Sprache der Jugendlichen. Außerdem waren sie ein Weg, aus dem meist urbanen Umfeld zu entkommen. Viele der US-Ikonen, die heute über 50 sind, sagen: Wir kamen aus den Ghettos. Und ohne den Hip-Hop wären wir nicht da, wo wir heute sind. Wir wären untergegangen.

Was hat Hip-Hop seitdem über vier Jahrzehnte überleben und sogar wachsen lassen, während andere Jugendkulturen entweder untergingen oder schrumpften?
Meyers:
Hip-Hop hat sich immer erneuert, ist interessant geblieben. Viele Facetten — Tanzstile, Musikstile, Kunstformen wie Graffiti — machen die Kultur aus. Zudem ist Hip-Hop eine multikulturelle Sache: Bei uns tanzen viele Jugendliche mit Migrationshintergrund. Es ist ein Phänomen, wie sich Jugendliche über Kulturen hinweg verständigen — und zwar ohne Aggressionen.

Sie sagen „ohne Aggressionen“ — dabei kennt man Hip-Hop auch aus Musikvideos, in denen prollige Typen mit Waffen herumspielen und sich wie Gangster gebärden.
Meyers:
Der ursprüngliche, urbane Hip-Hop, über den wir bei „Juste Debout“ sprechen, hat nichts zu tun mit dieser vermarkteten Form des Hip-Hop. Wir reden hier von einer Kunstform mit einer inneren Haltung jenseits des Kommerzes.

Inwieweit kann Hip-Hop denn Kunst sein?
Meyers
Bei „Juste Debout“ müssen die Tänzer viel leisten: Sie treten als Duos gegeneinander an und bekommen eine Musik vorgegeben, die sie vorher nicht kennen. Sie müssen sich in kürzester Zeit auf den Rhythmus einstellen, schauen, was der Partner und der Gegner machen — und Bewegungen kreieren. Das zu beherrschen dauert Jahre.

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