Nora und Eugen Gomringer: Der große Lyriker und seine Tochter

Nora und Eugen Gomringer bringen im Zakk Dichtung von 1960 und heute auf den Punkt. Ein Gespräch über Wie und Warum.

Düsseldorf. Zur Not greift die Direktorin auch schon mal zum Feudel und wischt durch, bevor es sich die Künstler zum Gespräch über das Hehre und Schöne in ihrer Villa Concordia bequem machen. Die 33-jährige Nora Gomringer packt an, sie leitet das kleine feine Künstlerhaus in Bamberg, schreibt Gedichte und sammelt Auszeichnungen. So scheint es.

Spricht man mit ihr aber über den Auftritt im Zakk am 23. Juni, nimmt sie sich zurück. Dann geht es um den Vater: Eugen Gomringer. Der heute 88-jährige Lyriker, dem die meisten im Deutschunterricht schon einmal begegnet sind. Seit den 1960er Jahren steht er für konkrete Poesie, für Gedichte, in denen die Sprache selbst Zweck und Gegenstand ist.

„Ich hatte seine Gedichte immer vor Augen. Sie hingen bei uns an den Wänden“, erinnert sich die Tochter. Vorgelesen habe ihr die Mutter. Heines „Waldeinsamkeit“ ist ihre große Liebe. Der Vater war immer eher der große Kopf, in ihrem Privatleben habe er lange keine so große Rolle gespielt.

Eines aber ärgert sie: Dass Eugen Gomringer nie ausgezeichnet wurde. „Er hat vergessen, sich selbst ins Licht zu setzen.“ Und deshalb hat sie beschlossen, mit ihm gemeinsam aufzutreten und von der Bühne aus zu zeigen: „Hier ist einer der großen Erfinder in der Lyrik seit 1960. Punkt.“

Sie möchte den Bogen zeigen, den das Leben ihres Vaters schlägt: In Bolivien geboren, in der Schweiz und in Deutschland als Dichter aber auch als Kunstberater tätig. In Düsseldorf lehrte er von 1977 bis 1990 als Professor für Theorie der Ästhetik an der Kunstakademie. Eine Stadt, mit der er sich sehr verbunden fühle, sagt die Tochter. „Er kam als Urwaldkind in den europäischen Raum.“ Das präge seine Gedankenwelt. Wer seine aktuellen Sonette lese, dem werde schnell klar: „Die sind von einem geschrieben, der es kann.“

Alle drei Monate etwa treffen sich Vater und Tochter für einen Auftritt. Es gibt ein Skript, das Nora Gomringer geschrieben hat. „Es ist eine große Sache, die klein daherkommt.“ Humorvoll und klar wollen die beiden zeigen, dass die konkrete Poesie noch immer Muskeln hat. Eugen Gomringer wird Biografisches aus „Kommandier(t) die Poesie!“ lesen, Nora Gomringer aus ihren gerade erschienenen „Monster Poems“. So ist es zumindest von der Tochter vorgesehen. „Aber es entscheidet sich immer spontan, wie sich mein Vater verhält.“

Wie Lyrik auf der Bühne funktioniert, das hat Nora Gomringer beim Poetry Slam gelernt. Über Jahre gehörte sie zu den besten der Szene. Sie hat davon gelebt, dass sie als Rezitatorin gebucht wurde — „bei Hochzeiten und Todesfällen“. Jeder müsse die Texte verstehen und ihnen folgen können, erklärt sie. Dass Sprache Arbeit sei, dürfe man dabei ruhig sehen. Nur der Vater möge die Grimassen nicht, die sie auf der Bühne schneidet.

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