Düsseldorf - Forum Freies Theater Begegnung mit Kunst: Schüler schauen und fragen: Was soll das?

Das Forum Freies Theater bringt Zehntklässler und Künstler mit ihren Werken über Körper zusammen — eine gelungene Begegnung.

Düsseldorf. Die Genitalien sind der Hingucker bei den Gymnasiasten. Form und Farbe kommen gar nicht gut an. Auf einem Bild in DIN A 4 ist Michelangelos David unten rum zu sehen — das Gemächt mit Grün übermalt. „Das ist alles so tiefgründig, ich komme gar nicht dahinter“, spöttelt ein jugendlicher Besucher. Er ist einer von 120 Schülern der zehnten Klassen, die am Donnerstag in den FFT Kammerspielen die Ausstellung „Rework“ von Verena Billinger und Sebastian Schulz gesehen haben — noch bevor sie heute offiziell eröffnet wird.

Düsseldorf - Forum Freies Theater: Begegnung mit Kunst: Schüler schauen und fragen: Was soll das?
Foto: Christian Herrmann

Eine Installation, bei der es den beiden Künstlern um Körper und Bewegung, Natur und Kultur geht. Sie schicken ihre Besucher auf der ansonsten leerstehenden Erdgeschossfläche der Kammerspiele an der Jahnstraße, die noch immer den Charme eines gesichtslosen Großraumbüros ausstrahlt, an verschiedenen Objekten vorbei.

Entstanden sind ihre Werke, die sich an der Schnittstelle zwischen darstellender und bildender Kunst bewegen, über einen Zeitraum von zehn Jahren. Themen tauchen wiederholt auf, die Inszenierung der Kunst spielt eine wichtige Rolle. In einige abgedunkelte Räume soll man einzeln eintreten, kann mit einer Taschenlampe das Innere erkunden. Diese Heimlichkeiten hinter verschlossenen Türen gefallen den Jugendlichen. Sie gehen gemeinsam rein, finden vieles „creepy“ und „unheimlich“.

Die Zimmer mit abgeschnittenen Baumzweigen, die stark nach Wald riechen, mögen die meisten, das sagen sie im anschließenden Gespräch mit Billinger und Schulz. Sie entdecken aber auch anderes, was sie mit „abstoßend“ und „was soll das?“ bewerten: anatomische Abbildungen von Körpern aus dem 18. Jahrhundert, eine im Video zur Schau gestellte Narbe auf dem Bein eines Tänzers. Oder Pferde in verschiedenen Formen, mal als motorbetriebenes Skelett, mal als Lichtpunkte, die mit etwas Vorstellungskraft eine galoppierende Herde sein könnten, und direkt am Anfang als sich ständig aufblasendes und zusammensinkendes Folienwesen. „Was hat bitteschön ein Pferd mit einem menschlichen Körper zu tun?“ In der Frage der Schülerin liegt nicht nur Unverständnis sondern auch deutliche Missbilligung.

„Pferde haben Menschen schon immer bewegt. In der Höhlenmalerei etwa findet man Abbildungen. Heute leben wir in einer Welt, in der Pferde abwesend sind, fast nur als PS in Motoren existieren“, erklärt Sebastian Schulz. Er möchte die Schüler ermutigen, ihren Wahrnehmungen zu vertrauen, allzu schnellen Bewertungen zu misstrauen. Verena Billinger verweist auf den Tanz, der Bereich, aus dem die beiden Choreographen kommen. „Beim Ballett etwa versucht man, möglichst perfekt bestimmte Bewegungen hinzubekommen. Aber der Körper schafft das manchmal eben nicht so perfekt.“

Den beiden behagt es nicht, ihre Werke zu interpretieren. Verstehen können sie, dass gerade das Thema Körper bei Teenagern enorm aufgeladen ist. Das kann man an diesem Morgen sogar riechen. Auch wenn sich bei der Runde im Stuhlkreis die Beteiligten nicht ganz so wohl zu fühlen scheinen, gelingt dem FFT mit dem Angebot für die Schüler eine wichtige Begegnung: Die Jugendlichen erfahren Kunst und ihre Reaktion darauf hautnah. Für die Künstler Billinger und Schulz dürfte das Zusammentreffen ebenfalls erkenntnisreiche Beobachtungen bieten, denn die Schüler scheuen sich nicht, ihr Unverständnis direkt auszudrücken. Der performative Charakter der Schau wird damit ziemlich gekonnt weitergeführt.

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