Kunstsammlung NRW Die Sammlung Fischer bleibt am Rhein

Die Totale von Minimal und Land Art, Konzeptkunst und Arte Povera wird in der Landesgalerie ausgebreitet.

Kunstsammlung NRW: Die Sammlung Fischer bleibt am Rhein
Foto: Wolfram Kastl/dpa

Düsseldorf. Marion Ackermann verabschiedet sich als Chefin der Kunstsammlung NRW mit einem Paukenschlag und spricht von einer der „glücklichsten Fügungen in der Geschichte des Hauses“. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nennt es einen „kulturpolitischen Coup ersten Ranges“ und bezeichnet die Landesgalerie gar als die „heimliche Nationalgalerie“. Grund für derlei starke Worte ist die Übergabe der Sammlung Konrad und Dorothee Fischer an die Landesgalerie.

Sie kommt zu einer Hälfte als Geschenk der Erben und zur anderen Hälfte als Ankauf, wobei sich das Land allein mit 7,7 Millionen Euro beteiligt. Weitere hohe Summen steuern die Stiftungen des Landes, des Bundes, der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Freunde des Museums bei. Alles in allem ergibt dies eine „niedrige zweistellige Millionen-Summe“, so Ackermann.

200 bis 400 Arbeiten, je nachdem, ob man Konvolute oder einzelne Arbeiten zählt, werden in 16 Räumen in K 20 ausgebreitet. Minimal Art, Arte Povera und Konzeptkunst, vielfach spröde Werke aus Stahlplatten, Bleiwürfeln, Weidenstöcken oder Schnüren, sind als Totale im Museum angekommen. Außerdem gelangt das wertvolle Archiv nach Düsseldorf, so dass die Kunstsammlung zur Forschungsstätte wird.

Konrad und Dorothee Fischer waren Pioniere, die seit jenem sonnigen Tag im Oktober 1967 die Kunst der Puristen, der Ideenträger, der Avantgardisten durchboxte, als sie den unbekannten Carl Andree ausstellten, nachdem sie ihm das Flugticket nach Deutschland bezahlt hatten.

Die Kuratorin Anette Kruszynski meint, die Fischers seinen im strengen Sinn gar keine Sammler, wenn sie sagt „Sie trugen weder aus Leidenschaft noch aus einer Familienverpflichtung heraus oder als Wertanlage Kunstwerke zusammen. Ihre Sammlung ist vielmehr das Ergebnis des engen Austauschs mit Künstlern, die sie ausstellten.“ Viele Arbeiten seien unmittelbar zugeeignet gewesen.

Eine sympathische Schau ist es. Sie zeugt Freundschaften zwischen Künstlern und ehemaligen Künstlern, denn beide Fischer hatten an der Kunstakademie studiert, Konrad unter dem Namen Lueg als Maler, Dorothee als angehende Kunsterzieherin am Düsseldorfer Marie-Curie-Gymnasium. Beide wussten, wie Künstler „ticken“. Ihre große Wohnung an der Prinz-Georg-Straße hatte acht leere Zimmer, jedes mit einer Matratze für das Nachtlager ausgestattet, damit die Kreativen aus der Ferne übernachten konnten.

Die Kontakte hielten ein Leben lang. Es wäre für Thomas Schütte leicht gewesen, auszuscheren. Er blieb loyal. Als Konrad starb, zeichnete er ihn auf seinem Totenbett und modellierte vier glasierte Keramikköpfe mit Totenbinde für einen Katafalk. Außerdem widmete er ihm zwölf Blumenaquarelle, die er teilweise schwarz umrandete.

Konrad Fischer (1939 bis 1996) war der Macher. In der Kunstakademie saß er im AStA und organisierte die Feste, später managte er die Ausstellungen. Dorothee nennt ihn einen „großartigen Katalysator“. Er war ein früher Netzwerker. Die Toreinfahrt, in der er in der Düsseldorfer Neubrückstraße startete, war städtisches Eigentum und als Durchgang spottbillig. In diesem 3 x 11 Meter langen Schlauch rollte er die amerikanische Szene auf. Das war eine Meisterleistung. Die hundert Bodenplatten von Carl Andree füllten den Raum aus. Wer auf ihnen stand, stand auf der Kunst. Und trotzdem gelang es, bei jeder dieser kargen, konzeptuellen Schauen wenigstens ein bis drei Werke zu verkaufen, nicht an die Düsseldorfer, aber an die Kunstfans anderer Länder. Konrad Fischer, Galerist, Kurator und Kunstvermittler, war ein „Doppelagent“.

Er agierte international, mit Prospect in der Kunsthalle als Gegenposition zum Kölner Kunstmarkt, mit der Documenta von 1972, wo er mit Klaus Honnef die Sektion Idee und Idee/Licht betreute und Hilla und Bernd Becher einführte. Ob in New York oder Basel, er war ein Strippenzieher zum Wohle seiner Freunde. Die Galerie erreichte bei allen Verkäufen der Minimal- und Konzeptkunst an internationale Museen und Privatsammlungen von 1967 bis 1980 einen Marktanteil von immerhin 27,33 Prozent. „Er war der wichtigste Händler, den es in den letzten 25 Jahren des 20. Jahrhunderts gegeben hat“, sagt Jan Dibbets, der auch an der Düsseldorfer Kunstakademie lehrte.

Dorothee Fischer konnte nach dem Tod ihres Mannes Künstler wie Bruce Nauman, Richard Long, Carl Andree und Lawrence Wiener halten. Auch sie entdeckte Künstler wie Paloma Varga Weisz, Jim Lambie oder Manfred Pernice. Paloma steuert nun einen hölzernen Wichtel bei, der in seinen abgeschlagenen Holzsplittern steht, als sei er von einem Heiligenschein umgeben.

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