60 Jahre Savoy-Kino Der teuerste Sandalenfilm zum Start des Savoy

Mit „Die zehn Gebote“ lockte das Kino Savoy an der Graf-Adolf-Straße vor 60 Jahren sein Publikum. Auch heute noch wird hier Filmkunst gespielt.

Düsseldorf. „Hier entsteht das Bikino von Düsseldorf.“ So kündigte im Frühjahr 1958 ein Baustellenschild das neue Lichtspielhaus an. Was später als Kinocenter in Verruf geriet, schien damals die Zukunft der Branche zu sein. Jedenfalls wurde dem Passanten das neuartige Konzept gleich erläutert: „Ein großes repräsentatives Filmtheater und ein kleines intimes Haus für den anspruchsvollen Filmfreund“.

Sechs bewegte Jahrzehnte später ist das Savoy-Theater quasi da angekommen, wo es damals seine Geschichte begann: zwei Theater in einem Haus und im kleineren „atelier“ läuft Filmkunst. Das Savoy ist der letzte Zeuge einer Zeit, als die Graf-Adolf-Straße noch die erste Adresse der westdeutschen Filmwirtschaft war und sich Kinos wie das Residenz, Rex, Berolina, Europa und Lichtburg entlang der damaligen Prachtmeile aufreihten. Zum 60. Bestehen gibt es etwas zu feiern und mit dem Film „Lady Bird“ präsentiert das atelier heute Abend eine Premiere, die den Erwartungen des „anspruchsvollen Filmfreundes“ auch heute noch gerecht wird.

Der Andrang war groß, als der Kinounternehmer Willi Goldermann sein neues Theater eröffnete. Satte fünf Mark mussten die Zuschauer für den Platz auf dem 2. Rang bezahlen, gemessen am Durchschnittslohn entspricht das heute fast 50 Euro! Dafür hatte das Savoy aber auch etwas zu bieten, die Leinwand war mit über 130 Quadratmetern auch die geeignete „Bühne“ für das Prunkstück des Hauses. Der 70 mm-Projektor wird bis heute von keiner digitalen Projektion erreicht.

Deshalb arbeiten Hollywood-Regisseure wie Quentin Tarantino für „The Hateful Eight“ und P. T. Anderson wieder mit der aufwändigen Technik. Auch die Tontechnik war spitze, der 6-Kanal-Magnetton wurde über fünf Lautsprecher-Systeme auch seitlich der Sitze übertragen. Und mit dem Film „Die Zehn Gebote“ hatte Goldermann auch einen Paukenschlag auf dem Programm. Das Bibelepos war der teuerste aller Monumentalfilme. Über 14 000 Statisten und ebenso viele Tiere wirkten an der Verfilmung der Geschichte von Moses mit. Der junge Actionstar Charlton Heston spielte Moses und Yul Brynner seinen Gegenspieler auf dem ägyptischen Thron.

Doch ein paar Wermutstropfen gab es beim Sekt-Empfang auch. Oberbürgermeister Glock hatte sein Kommen wegen der Jan-Wellem-Festivitäten abgesagt. Er telegrafierte aber seine Glückwünsche zur „kulturellen Bereicherung der Fremdenverkehrsstadt Düsseldorf“. Auch Hollywood ließ sich nicht locken, aus der illustren Besetzungsliste kam „nur“ Paul Klinger, der in der deutschen Fassung den Erzähler gesprochen hatte. Immerhin verkündete der deutsche Star aus den „Immenhof“-Filmen dann den artig gereimten Taufspruch: „Drum soll auch dies Theater tragen, in heit´ren wie in trüben Tagen, den Namen, der stets frisch und neu: ich taufe dich jetzt auf Savoy!“ Dann durchschnitt Klinger die Schleife vor dem weißen Hauptvorhang, dahinter öffnete sich ein schwarz-goldener Vorhang und gab schließlich den Blick auf das biblische Geschehen frei.

Doch auch hier mussten die Gäste vorerst Abstriche machen, der Film war nicht als 70-mm-Kopie zu sehen, sondern im herkömmlichen 35-mm-Format. Das Todd-AO-Bild konnten die Zuschauer nur im Trailer von „Porgy and Bess“ bestaunen. Die Freunde der Filmkunst mussten noch etwas warten., Im Mai 1958 nahm das „atelier“ (mit kleinem „a“ und nur 250 Plätzen) den Spielbetrieb auf.

Der Eröffnungsfilm „Bolschoi Ballett“ gilt heute als verschollen. Schon zehn Jahre später zeigte sich, wie richtungsweisend das Bikino-Konzept war. Das Parkett des einst 900 Plätze zählenden Savoy wurde verkleinert und ein weiteres kleines Kino mit rund 200 Sitzen wurde eingebaut. Im Jahr der Mondlandung lag der Name auf der Hand: „Apollo 69“. Doch auch damit ließ sich der Zuschauerverlust an das „Pantoffelkino“ nicht auffangen. 1972 folgte ein weiterer Einbau im Foyerbereich. „Lupe“ hieß das 50 Platz-Theater und versuchte, die „intime“ Atmosphäre mit Rauchgelegenheit und Getränkeausschank zu kompensieren. Ansonsten war das Kinoerlebnis auf eine Mattscheiben-Rückprojektion begrenzt, deren Größe heute ein Flachbild-TV leicht erreicht.

Endpunkt der Schuhschachtel-Metamorphose war ein weiteres Kino. Aus der „Lupe“ wurden nun „Linse 1“ und „Linse 2“. Wer sich hierhin verirrte, dem war auf Jahre der Kinobesuch vergrault. Zehn Jahre später übernahm die Ufa-Theater AG von Heinz Riech die Häuser von Manfred Goldermann. Es wurde zwar noch einmal investiert, doch sehr schnell zeigte sich, dass die Traditionshäuser nicht gegen ein neues Kinokonzept aus den USA bestehen konnten. In der Hoffnung auf fantastische Zuschauersteigerungen steckten die neuen Multiplex-Konzerne im großen Stil ihre Claims ab. Für Düsseldorf waren gleich fünf dieser Großtheater geplant.

Es wurden nur drei, trotzdem wurden nach und nach alle Innenstadtkinos geschlossen, Die Ufa machte sich mit dem neuen Multiplex am Hauptbahnhof selbst Konkurrenz. Im April 2000 kam das Aus für das Savoy, doch es sollte nur eine Umbaupause sein. Stefan Jürging eröffnete das Savoy im September mit einem ganz neuen Konzept als Kleinkunstbühne. Es sollte noch weitere sechs Jahre dauern, bis auch das atelier aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurde. Im September 2006 war es soweit. Die Filmkunstkinobetreiber Kalle Somnitz und Udo Heimannsberg eröffneten das Kino mit dem Film „Das Parfüm“.

Seither läuft hier anspruchsvolles Mainstreamkino und Stars wie Bruno Ganz, Volker Schlöndorff, Daniel Brühl und Sönke Wortmann präsentieren hier ihre neuen Filme. Darunter war auch Wim Wenders, dessen „Pina 3 D“ bis heute den Publikumsrekord hält.

Für Udo Heimansberg (68) ist das heutige Jubiläum des Savoy ein ganz besonderer Tag. 1975 begann er seine Kinokarriere mit der Ausbildung zum Theaterleiter im Savoy. Für den Filmbegeisterten ging ein Traum in Erfüllung.

Hatte er bisher für sein Steckenpferd bezahlt, konnte er nun damit Geld verdienen. 1979 erfüllte er sich einen weiteren Traum und machte sich mit dem Bilker „Metropol Theater“ selbstständig. Zusammen mit Kalle Somnitz, der das Souterrain in Oberkassel betreibt, sammelte Heimannsberg nach und nach Programmkinos in der Düsseldorfer Filmkunstkino GmbH und rettete so das Bambi in der Klosterstraße, das Cinema in der Altstadt und natürlich das atelier im Savoy. Nur die Lichtburg konnten sie nicht retten. Ein Wiederbelebungsversuch im Untergeschoss des Kö-Centers wurde bald aufgegeben.

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