Was alles nicht Kraftwerk heißen darf

Die Band Kraftwerk hat gerade eine Ausstellung zu ihren Ehren gestoppt — und damit eine Liste trauriger Geschichten noch länger gemacht.

Was alles nicht Kraftwerk heißen darf
Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Stefan Prill war der erste, der erfahren musste, dass die Band Kraftwerk wenig Freude an der Verbreitung ihres Namens hat. Der Düsseldorfer hatte Anfang der Neunziger zunächst in der Disco „Tor 3“ gearbeitet und dann das ehemalige Mannesmannröhren-Werk an der Ecke von Ronsdorfer und Lierenfelder Straße für sich entdeckt. Dort wollte er einen neuen Klub eröffnen und als Fan elektronischer Musik dem Ganzen den Namen „Kraftwerk“ geben, um die Pioniere dieses Musikstils zu ehren. So startete die neue Veranstaltungshalle im Dezember 1993 dann auch erst einmal, dann aber erfuhr Prill, dass die Musiker den Namen hatten schützen lassen. Per einstweiliger Verfügung verlangten sie nun, dass das Kraftwerk nicht mehr Kraftwerk heißen soll. Und so wurde daraus das Stahlwerk.

Was alles nicht Kraftwerk heißen darf
Foto: Bioweingut Lorenz

Diese 25 Jahre alte Geschichte passt zur Gegenwart, denn in diesen Tagen hat der Musiker und Autor Rüdiger Esch erfahren, mit welcher Kraft das Werk der elektronischen Musiker geschützt wird. Der aktuelle Fall bildet eine Steigerung zum bisher Bekannten, denn weder wird der Name der Band verwendet, noch geht es darum, ihn kommerziell zu nutzen. Esch wollte zum 40. Jahrestag des Kraftwerk-Albums „Mensch-Maschine“ eine Ausstellung mit musikalischem Programm organisieren. Designer und Musiker wollten über die besondere Bedeutung der Platte und der damit verbundenen Kunst sprechen, das Kulturamt wollte das Projekt fördern, das Wirtschaftsministerium seine 21. Etage am Rheinufer zur Verfügung stellen. Dann aber meldeten sich die künstlerischen Vertreter der Band, verwiesen aufs Urheberrecht und erklärten, das Album dürfe bei der Ausstellung nicht abgespielt werden. Die Musiker wollten kein Album aus ihrem Lebenswerk besonders hervorheben.

Der einzige Trost für Esch: Er ist nicht alleine. Ein Restaurantbetreiber in Unterbilk hat vor wenigen Jahren eine ähnliche Erfahrung gemacht. Ähnlich wie das Stahlwerk eröffnete es zunächst unter dem Namen Kraftwerk, lernte dann alsbald die juristischen Vertreter der Band kennen und musste am Ende einsehen, dass sie in der Auseinandersetzung voraussichtlich nur zweiter Sieger werden würden. Seitdem heißt das Restaurant schlicht „K“ und beweist seit 2014, dass es seine Gäste nicht mit dem Namen, sondern mit den Stärken seiner Küche zur Lorettostraße bringt.

Einer der Menschen, die sich unfreiwillig mit Kraftwerk auseinandersetzen mussten, stammt nicht aus Düsseldorf, sondern aus Friesenheim bei Mainz. Der Winzer Johannes Lorenz druckte nicht mehr ausschließlich die Rebsorten auf die Etiketten seiner Weinfalschen, sondern auch Worte, die ihm gut gefielen. Urschrei war so ein Wort und eben Kraftwerk. Nach eigenen Angaben dachte Lorenz dabei an den Berg, der sehr robuste Trauben hervorbringt und deshalb ein kleines Kraftwerk ist. Von der Band habe er noch nichts gehört, sagte der Mann, der erst 35 Jahre alt ist. Es half alles nichts, Lorenz musste seinen Wein umbenennen. Jetzt heißt er „Zensiert“.

So wie der Friesenheimer Winzer können auch Stefan Prill und die Inhaber des „K“ ohne Wut an den Namensstreit zurückdenken. Die Veranstaltungshalle hat in Düsseldorf bis heute einen besonderen Rang, das Restaurant läuft augenscheinlich gut. Und manchmal gibt es auch Menschen, die es besonders gut mit dem Restaurant meinen und die betonen, dass es „ein Kraftwerk der kulinarischen Genüsse“ sei.

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