OVG Münster Wann darf die Polizei bei einer Demo fotografieren?

Düsseldorf · Vor dem OVG Münster klagen Betroffene gegen die Veröffentlichung ihrer Fotos auf dem Twitter-Account der Polizei. Das Urteil könnte weitreichende Konsequenzen haben.

 Protest gegen Rechts in Gelsenkirchen. Darf die Polizei auch bei einer friedlichen Demonstration die Teilnehmer fotografieren?

Protest gegen Rechts in Gelsenkirchen. Darf die Polizei auch bei einer friedlichen Demonstration die Teilnehmer fotografieren?

Foto: dpa/Caroline Seidel

Darf die Polizei bei Demonstrationen Fotos vom Geschehen machen, um diese dann als Teil ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf Facebook oder Twitter zu verbreiten? Das geht gar nicht, sagen zwei Kläger, die auf einer Demonstration im Mai 2018 in Essen dabei waren und sich später auf von der Polizei beim Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichten Fotos wieder erkannten. Und das Land NRW verklagten. Am heutigen Dienstag entscheidet das Oberverwaltungsgericht Münster den Fall.

In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen das Land mit deutlichen Worten in die Schranken verwiesen und den Klägern Recht gegeben. Dabei war das Land als Dienstherr der Polizisten nicht um Argumente verlegen gewesen, warum das mit den Fotos in Ordnung gehe. So hätten die Demonstranten doch gerade die Öffentlichkeit gesucht. Die Polizei habe durch ihre Veröffentlichung der Demo diesen geradezu einen Gefallen getan und ihnen als „Multiplikator dieser Meinungskundgabe“ zur Seite gestanden.

Auch berufe man sich auf das Landespressegesetz, wonach die Öffentlichkeit doch informiert werden dürfe und solle. Die Veröffentlichung über das Geschehen in den sozialen Netzwerken „in Echtzeit“ erfolge am Puls der Zeit. Das sei legitimer Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei. Teilnehmer an einer öffentlichen Versammlung müssten einfach damit rechnen, dass Bildaufnahmen veröffentlicht würden. Auch seien die Bilder bewusst weitwinklig angelegt, so dass die abgebildeten Menschen nicht im Fokus des Geschehens stünden.

Wie die Richter in erster Instanz argumentierten

Die Richter der ersten Instanz zerpflückten all diese Argumente und ließen am Ende keines von ihnen gelten. Um mit dem letzten Argument zu beginnen. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten sei es kein Problem, durch Heranzoomen auch einzelner Bildausschnitte einzelne Teilnehmer sehr wohl deutlich erkennbar zu machen.

Auch das Argument, dass die Polizei doch nur Pressearbeit mache, wischten die Richter vom Tisch. Zwar müssten Demonstrationsteilnehmer  damit rechnen, dass sie von Pressefotografen abgelichtet und die Bilder gegebenenfalls auch veröffentlicht werden. Die Medien könnten sich selbst aber auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen. Die Polizei hingegen ist nicht selbst Grundrechtsträger, sondern muss die Grundrechte anderer, die der Demonstrationsteilnehmer, achten.

Und da kommen die Gelsenkirchener Richter zu dem tragenden Argument, warum schon das Anfertigen der Aufnahmen und nicht erst die Veröffentlichung in sozialen Netzwerken unzulässig war: „Das Bewusstsein der Demonstrationsteilnehmer, dass ihre Teilnahme an der Versammlung staatlich festgehalten wird, kann Einschüchterungswirkung haben.“

Wer damit rechnen müsse, dass die Teilnahme behördlich registriert wird und dadurch für ihn persönliche Risiken entstehen können, werde möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten.

Das heißt nicht, dass die Polizei niemals bei einer Demonstration fotografieren darf. Doch bedarf es dafür einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage. Und die gibt es – wenn nämlich die Gefahr besteht, dass die Sache gewalttätig zu werden droht (siehe Infokasten). Hier aber handelte sich um eine friedliche Demo.

Ob die Richter des Oberverwaltungsgerichts Münster die Sache genauso sehen wie ihre Kollegen in erster Instanz, wird sich am Dienstag zeigen.

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