Bitte etwas mehr Demut im Vorfeld der WM

Nach dem glücklichen 1:0-Sieg der DFB-Elf gegen Chile

Ein Kommentar von Matthias Rech.

Ein Kommentar von Matthias Rech.

Foto: Melanie Zanin

Es war die Ironie des Abends. Vor dem Anpfiff des Testländerspiels hatte Mesut Özil von Vertretern des „Fanclubs Nationalmannschaft“ den Preis als Nationalspieler des Jahres 2013 überreicht bekommen. 89 Minuten später wird er von tausenden Fans der DFB-Elf beim Gang vom Platz gnadenlos ausgepfiffen. Die zahlende Kundschaft im Stadion war sichtlich erzürnt über diese Leistung der Mannschaft von Joachim Löw.

Die hatte so nichts mit der Sommermärchen-Magie zu tun, die offenbar etliche Besucher von Länderspielen seit 2006 als Dauerzustand erwarten. Es war nicht der erste Ausbruch von Enttäuschung, weil die Kicker den Fans die Partylaune vermiesten.

Dabei hatte der Bundestrainer doch schon Tage zuvor darauf hingewiesen, dass einerseits der Zustand einiger deutscher Spieler zu wünschen übrig lasse, und andererseits die Chilenen eine sehr starke Mannschaft haben. Ja, auch wenn es bei dem Gerede vom riesigen Talentreservoir der Deutschen keiner glauben mag. Und auch, wenn es nach den Fanmeilen-Feiern für zweite und dritte Plätze bei den vergangenen großen Turnieren die Laune verdirbt: Andere Länder haben ihre Hausaufgaben — nicht selten nach deutschem Vorbild — längst gemacht.

Joachim Löw mag über ein Überangebot an — so sie in Form sind — tollen Offensivkräften verfügen, doch die Schwachstellen in der Defensive sind noch dieselben wie beim 1:2 im EM-Halbfinale gegen Italien oder beim 4:4 gegen Schweden im Herbst 2012. Alternativen, die Besserung vor allem für die Außenverteidigerpositionen versprechen, sind nicht in Sicht.

Insofern tut Joachim Löw gut daran, seinen Spielern bewusst zu machen, dass noch viel Arbeit wartet vor der WM. Dass jeder Spieler in den zwei Monaten bis zur Nominierung des vorläufigen Kaders an jedem Tag noch mehr investieren muss, will er mit zur WM fahren. Dieses Länderspiel hat gezeigt, dass Joachim Löws Warnungen keine leeren Worte waren. Und den pfeifwütigen Fans sei gesagt, dass etwas mehr Demut vor dem Turnier in Brasilien gut tun würde. Auf den Weltmeistertitel mit Zauberfußball hat Deutschland keinen automatischen Anspruch.

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